Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
machen, daß er dadurch seinen Respekt verliert und verachtet wird, doch auch nicht immer so streng und hart [sein], daß er gehaßt wird, sondern [soll] das eine mit dem anderen ausgleichen und sich gegen die Guten fromm erweisen, und ernst, wenn es sein soll, daß sie Ursache haben mögen, ihn zu lieben und zu fürchten. Und dies geschieht, wenn er mild und freundlich mit seinem Hausvolk spricht, [es] unterweist, belehrt und ermahnt zur rechten Zeit und mit Güte. Hört auch bisweilen ihre Vorschläge an, lobt und ermuntert die, welche gut dienen und es gut meinen, gibt ihnen zur rechten Zeit ihren richtigen vereinbarten Lohn und Kleider, und verbessert ihn mit kleinen Geschenken.
Das Verhältnis zwischen Dienern und Herren war kompliziert. Ein Diener in einem Haushalt war kein Lohnarbeiter oder Angestellter in unserem Sinn des Wortes. Ein Diener wurde nicht entlohnt, sondern belohnt. Wie bereits erwähnt war der Familienbegriff weit gespannt, und die Diener waren häufig in diese Gemeinschaft eingeschlossen. (Die eigenen Kinder und die Dienerschaft wurden oft gleich behandelt, man meinte unter anderem, dass sie das gleiche großzügige Maß an Überwachung, Erziehung und Hilfe benötigten. Die Anrede «Kind» gegenüber erwachsenen Untergebenen zu benutzen, war durchaus üblich. Unter anderem nannte Banér die Soldaten, die seinem Befehl unterstanden, gern seine «Kinder». Um dies vollständig verstehen zu können, muss man wie schon gesagt berücksichtigen, dass die vielleicht meistgepriesene Eigenschaft bei kleinen Kindern in dieser Zeit ihre Fähigkeit zu Gehorsam und Unterwerfung war.) Teils kam es auch daher, dass das Verhältnis zwischen Hoch und Niedrig häufig von einer gewissen Familiarität geprägt war. Die soziale Isolierung, die sich zum 19 . Jahrhundert hin einstellen sollte, war noch nicht ganz durchgeschlagen. Der Hausvater traf seine Leute jeden Tag, sprach mit ihnen, gab ihnen persönlich Befehle, bezahlte selbst ihren Lohn aus und so weiter. Es kam auch daher, dass ein Herr und sein Lakai so unerhört eng beieinanderlebten. Sie waren den ganzen Tag zusammen, sie aßen oft am gleichen Tisch – was indessen nicht bedeutet, dass sie das gleiche Gericht aßen – und schliefen nicht selten des Nachts zusammen, der Diener entweder auf einem Klappbett im gleichen Raum oder auf einer Matte vor der Tür des Hausvaters. Sie hatten wenige oder keine Geheimnisse voreinander. Zwischen einem Herrn und seinem Diener bestand deshalb häufig eine Intimität und Loyalität von ganz anderer Art, als sie zwischen einem Arbeitgeber und einem Angestellten entstand. Diese nahe Bindung zwischen den beiden schloss zynische Ausbeutung und derbe Machtsprache auf der einen und List und Betrug auf der anderen Seite keinesfalls aus. Besonders in den hochadeligen Haushalten, wo der Stab von Bediensteten mitunter bis auf über hundert anwachsen konnte, ging außerdem viel von dieser Nähe im Gewimmel von Lakaien, Köchen, Gärtnern, Kaltmamsellen, Ammen, Wäscherinnen, Hofmeistern, Knechten, Handlangern, Barbieren, Mägden, Kammermädchen, Kutschern und vielen anderen verloren. Die Dienerschaft war im Übrigen ein wichtiger Teil in der nach außen gekehrten Fassade des Haushalts. Die Größe des Haushalts war für einen Mann zuallererst ein Status-und Wohlstandsmesser – in Frankreich galt es als angemessen, dass ein hoher Adliger über einen Stab von mindestens 31 Dienern verfügte, und dies ohne seine Ehefrau, die 22 weitere benötigte, wenn die Familie Kinder hatte, oder nur 16 , wenn der Haushalt kinderlos war –, weshalb die direkte Ausbeutung ihrer Arbeitskraft sich zuweilen in Grenzen halten konnte.
Dennoch bestanden diese merkwürdigen Bande zwischen dem Herrn und seinen Dienern – merkwürdig für uns, die wir Mühe haben zu begreifen, wie zwei Personen, die so ungleich gestellt waren, einander so nahestehen konnten. Das aus der Literatur bekannte Bild des Hausvaters und seines treuen Dieners, die in einem unauflöslichen Pakt gemeinsam durch die Fährnisse des Lebens steuern, dieses Bild hatte auch zuweilen seine Entsprechung in der Wirklichkeit. Auch wenn in dieser Zeit immer häufiger davon die Rede war, wie wichtig es sei, den Abstand zur Dienerschaft aufrechtzuerhalten, kann man leicht Beispiele dafür finden, dass Diener ihren Herren loyal ins Feld folgten, Strapazen und Gefahren mit ihnen teilten, ihnen vielleicht sogar das Leben retteten und mit ihnen zusammen alt und grau wurden, treu bis ans Ende
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