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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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die Umgebung: Seht meinen Wohlstand, fürchtet meine Macht!
    Ein Adliger, der nicht in einer solchen Wolke von Seide und Spitzen umherstolzierte, wurde nicht als richtiger Adliger betrachtet. Es kam daher vor, dass Adlige auf Reisen, deren Garderobe aus irgendeinem Grund auf Irrwege geraten war, sich Tag um Tag in ihren Kammern verbargen, aus Furcht, einen falschen Eindruck zu erwecken. Denn es waren unter anderem die Kleider, die sie von Untertanen und Untergebenen unterschieden und ihren hohen Rang zeigten und unter Beweis stellten. Der Kontrast zwischen dem, was der herausgeputzte Aristokrat trug, und der Ausstattung sogenannter gewöhnlicher Leute war nämlich ungeheuer, Kleider waren kostspielig. (Dies erklärt, warum man Gefangenen und Gefallenen in den Feldschlachten die Kleider auszog. In der schwedischen Armee versuchte man in der Regel, solche von Kugeln durchlöcherten und blutgetränkten Kleidungsstücke zu sammeln, die gewaschen und geflickt und nach Hause gesandt wurden, wo man die neu Ausgehobenen in sie hineinsteckte.) Die Bauern trugen meistens einfache, selbstgemachte Hosen und Jacken aus Loden, aus grauer Schafswolle und grob. Die Ärmeren in den Städten trugen oft gebrauchte Kleidung, die sie von einem Lumpenhändler gekauft hatten – ein Historiker hat gesagt, dass gewöhnliche Leute in dieser Zeit gebrauchte Kleider kauften, wie die Menschen unserer Zeit ein gebrauchtes Auto kaufen; der Vergleich ist nicht weit hergeholt, wenn man außerdem bedenkt, dass die Kleider damals die gleiche Funktion als Statussymbol hatten wie das Auto heute. In den Straßen der Städte konnte man daher sonderbare Mischungen von Stilen und Moden sehen, vom glanzvollsten Neuen bis zum verschlissensten Alten.
    Der scharfe Kontrast zwischen Arm und Reich, zwischen Hoch und Niedrig war indessen nichts, das man mit Heuchelei behandelte oder zu verbergen suchte – wie man es heutzutage tut.
    Im Gegenteil: Der Kontrast war eine der großen Pointen der Verschwendung. Der Bombast des Aristokraten war teilweise dazu da, um von Krethi und Plethi begafft zu werden, ein Bestandteil der Requisite in dem gesellschaftlichen Schauspiel, das ständig auf Straßen und Plätzen, in Reichstagssälen und Ratsstuben, in Ballsälen und Banketthallen aufgeführt wurde. Der Adel sah hierin eine dankbare Aufgabe, denn überladene und pompöse Auftritte rührten gewissermaßen eine vertraute Saite im Innern der Menschen des 17 . Jahrhunderts an. Prozessionen, große Feste und großartige Zeremonien zogen oft große Zuschauerscharen an und galten offenbar als ergötzliches Freizeitvergnügen.
    Eriks Onkel hatte wie gesagt durch einen Kredit Johan Oxenstiernas Kleider finanziert. Erik durfte nun selbst dabei sein und ein wenig zur äußeren Vergoldung des jungen Legaten beitragen. Im Frühsommer 1642 befanden sich Erik und sein Hausvater in Johan Oxenstiernas großem Gefolge, das sich bei einem Kloster auf Usedom versammelt hatte. Die meisten schwedischen Beamten, die sich in Pommern befanden, waren zusammengetrommelt worden – vom Hofgerichtsrat bis zum einfachen Schreiber; denn je größer das Gefolge war, umso imponierender würde der Eindruck sein, den es vermittelte. Schließlich hatte man über 300 Personen mit 500 Pferden zusammenbekommen, eskortiert von einer Kompanie finnischer Reiter. Es
war
ein imponierendes Gefolge, das räumte Erik ein, aber er erlaubte sich dennoch, kritisch zu sein. In seinem Tagebuch hielt er fest, dass die ganze Veranstaltung «vollständig ein gutes Ansehen gab, aber dem Land großen Schaden zufügte». Er war ja selbst von einfacher Herkunft und wusste aus eigener Erfahrung, wer letztendlich die ganze kolorierte feudale Herrlichkeit bezahlen musste. Oxenstiernas zahlreiches Gefolge rief auch bei anderen Personen, die keine Aristokraten waren und die warme Liebe der Aristokraten zum Pompösen nicht teilten, Einwände hervor.
    Die Gesellschaft brach Anfang September auf. Zuerst ging es nach Stettin, auf gewundenen Wegen über die Hügel und die Sandheiden des Landes, denn Johan Oxenstierna hatte sich darauf kapriziert, Pommern zu sehen, wobei es nicht schaden konnte, gleichzeitig das Bild schwedischer Macht und Herrlichkeit zu verbreiten. Sie legten in der Regel zwischen 30 und 40 Kilometer am Tag zurück; dann und wann tauchte eine Schanze oder eine befestigte Stadt auf ihrem Reiseweg auf, die sie mit donnernden Salutschüssen und katzbuckelnden Empfangskomitees begrüßte, und hier und da wurde die Fahrt von

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