Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Banketten und Einladungen unterbrochen. Und schließlich, nach einer würdevoll langsamen Reise von fast eineinhalb Monaten, erreichten sie ein eifrig bollerndes und salutierendes Stettin, wo der Gesandte unter großem Pomp im Schloss Quartier nahm.
Die Gesellschaft verbrachte hier den Winter, während Johan Oxenstierna sich seinem zweiten Auftrag widmete: die Organisation der schwedischen Verwaltung in Augenschein zu nehmen. Die Reise zu den Friedensverhandlungen in Osnabrück verzögerte sich bis zum Sommer 1643 , und Erik und sein Hausvater folgten ein Stück auf dem Weg nach Westfalen. Nachdem sie sich von Johan Oxenstierna getrennt hatten, fuhren sie elbabwärts nach Hamburg, wo Rehnskiöld den zweiten schwedischen Gesandten, Johan Adler Salvius, traf – den schwedischen Residenten in Hamburg, der über die Jahre hinweg eine so große Rolle bei der Finanzierung der schwedischen Kriegskosten gespielt und bei den vorbereitenden Verhandlungen die Fäden in der Hand gehalten hatte.
Adler Salvius und Johan Oxenstierna, die beiden Personen, die dazu ausersehen waren, die Sache Schwedens bei den Verhandlungen zu vertreten, waren indessen kein sonderlich geglücktes Gespann: auf der einen Seite der bürgerliche Karrierist in mittleren Jahren aus Strängnäs und auf der anderen der junge, von Standesdünkel erfüllte Aristokrat. Offenbar sollten sie als gleichberechtigte Kollegen fungieren, doch es fanden sich genügend zweideutige Formulierungen in den Instruktionen und Ideen von der eigenen Exklusivität in Johan Oxenstiernas Kopf, um ihn glauben zu machen, dass er der Leiter der Friedenskommission sei. Außerdem waren beide dafür bekannt, dass mit ihnen nicht leicht zusammenzuarbeiten war. Zu alldem gab es auch gewisse Unterschiede in ihrer Haltung zu den bevorstehenden Unterhandlungen. Adler Salvius hatte bereits einen Namen als Friedensfreund, was Oxenstierna im Rat Kummer bereitete. Dort war man vielmehr fest entschlossen, die Waffen nicht eher ruhen zu lassen, bis Schweden für seinen Einsatz im Krieg reichlich entschädigt worden war.
Die beiden gerieten fast unmittelbar aneinander, eigentlich schon bevor sie sich überhaupt begegnet waren. Johan Oxenstierna eröffnete die Bekanntschaft mit einer Reihe schulmeisternder Briefe, woraufhin sie – natürlich – einen zähen, in schrillem Tonfall und per Post ausgetragenen Streit begannen … um Titulatur. (Der Anlass war, dass Oxenstierna in der Anschrift eines Briefes an den schwedischen Gesandten in Paris, Grotius, vergessen hatte, diesen «Exzellenz» zu nennen. Titelstreitigkeiten wurden zuweilen über wesentlich geringfügigere Details als dieses geführt.) So schaukelte man sich gegenseitig hoch. Verärgert und verletzt drohte Adler Salvius eine Weile damit, den Auftrag niederzulegen, während Papa Axel sein Möglichstes tat, um seinen überempfindlichen Sohn zu besänftigen.
Später konnte die schwedische Friedenskommission durch Osnabrück paradieren. Schwedische Adlige und Pagen gingen an der Spitze und riefen, dass hier die schwedischen Gesandten kämen. Hinter ihnen folgte Königin Christinas kostbarste Karosse, von sechs schön ausstaffierten Pferden gezogen. Um den Wagen gingen zwölf in leuchtend blau-gelbe Livrees gekleidete Hellebardiers. Und im Wagen saßen Johan Oxenstierna und Johan Adler Salvius und konnten sich nicht ausstehen. Es war kein vielversprechender Anfang der wichtigen Friedensarbeit.
1643 wurde Erik 18 Jahre alt. Es war ein wichtiges Jahr für ihn. Bis jetzt hatte er den Krieg nur aus der Entfernung geahnt. Ein Ungeheuer ging durch Europa und riss den Kontinent in Stücke: Erik hatte seine Fußspuren gesehen, hier und da seinen Atem im Wind gespürt. Aber 1643 war das Jahr, in dem er die Bestie zum ersten Mal mit eigenen Augen zu sehen bekam.
3 . Auf den Skorpion folgt eine Schlange
Die Krise nach Banérs Tod – Die Schlacht bei Wolfenbüttel – Die Armee wird bezahlt – Lennart Torstensson – ‹Klagelied über diesen trockenen und kalten Frühling› – Neue Pläne – Ein Linksbogen durch Schlesien – Die Schlacht bei Schweidnitz – Plünderungen und Beute – Das Besatzungsparadox – Noch ein schwedischer Rückzug – Gegen Leipzig
Viel war geschehen, seit Johan Banér an jenem warmen Maitag 1641 gestorben war.
Von diesem Zeitpunkt an hatte die Lage für die Schweden und ihre Verbündeten sich wieder verschlechtert. Der gewagte Coup gegen den Reichstag in Regensburg war ein Schlag ins Wasser gewesen, der
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