Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
ihn hassten; dies habe aber nicht so viel ausgemacht, weil es ihm immer gelungen sei, ihnen neue Beute und neue Siege zu verschaffen.
Ein katholischer Böhme nannte Torstensson «die Schlange, die auf den Skorpion folgte» – der Skorpion war Banér. Torstensson war jedoch keine einfache Kopie Banérs. Während Banér ein zum Genie sublimierter Haudegen war, kampferprobt und grob, mit einem abstoßenden Wesen, hemmungslosem Sexualtrieb und schweren Alkoholproblemen, verfügte sein Nachfolger zumindest über einen Anflug von Bildung und Lebensart. Torstensson war ruhig und ausgewogen und hatte bedeutend mildere und verfeinerte Manieren im Vergleich zu dem cholerischen und machtlüsternen Banér, sodass es ihm bedeutend leichter fiel, mit seinen Offizieren umzugehen. Er war wohl auch eine komplexere Persönlichkeit als sein Vorgänger. Als kleines Beispiel sei erwähnt, dass er nach der von ihm selbst angeordneten Hinrichtung des Obersten von Seckendorff aus eigenen Mitteln dessen Witwe und Kinder versorgte. Es sagt auch einiges über ihn aus, dass er vielleicht der einzige von allen Feldherren des Dreißigjährigen Kriegs war – von Tilly, Wallenstein und Bernhard von Weimar über Banér, Gallas, Piccolomini, Mercy, Hatzfeldt, Lamboy, Holzapel, Götz und Savelli bis zu Guébriant, Wrangel, Condé, Turenne und Königsmarck –, der seine Stellung
nicht
dazu benutzte, sich zu bereichern. Aber dennoch: Auch wenn er lächelte, so lächelte er mit Zähnen aus Stahl. Die Bauern und die Bürger ringsumher im deutschen Reich fanden bald heraus, dass «die Schlange» zwar ein würdevolleres und freundlicheres Auftreten hatte als «der Skorpion» und dass er oft in der Kirche niederkniete, aber dass es dennoch ungefähr auf das Gleiche hinauslief wie früher, will sagen auf schmutzig-schwarze Rauchwolken über gebrandschatzten Städten und geplünderten Dörfern. Dies zeigte von neuem, dass der Krieg größer war als die Summe seiner Teile, dass er eine Eigendynamik entwickelt hatte, dass die Schrecken und das Elend ebenso sehr der dem System innewohnenden Logik entsprangen wie der nicht unbedeutenden Bosheit und Verstocktheit der Beteiligten.
Im Jahr 1642 war der Frühling frostig und spät. In Schweden saß ein gerade freigelassener Strafgefangener und schrieb ein Gedicht. Er hieß Lars Wivallius und war ein begabter ehemaliger Bauernstudent aus Närke, der mit einem Stipendium an der Universität Uppsala studiert hatte, aber bereits nach zwei Jahren Studium auf Abenteuer in Europa ausgezogen war. Dort hatte er ein unstetes Leben geführt, mal als Student, mal als Bauernfänger, von Gläubigern gejagt, mehrmals gefangen genommen und geflohen, als holländischer Soldat geworben, um dem belagerten Breda zu Hilfe zu kommen – das jedoch eine Woche später fiel, woraufhin Velázquez, wie bereits erwähnt, Anlass bekam, sein Gemälde zu malen –, und so weiter. Während seines Vagabundenlebens hatte er sich verschiedene adlige Namen zugelegt: Svante Steinbock, Erik Gyllenstierna, und als Letzterer verheiratete er sich 1629 mit einer vermögenden dänischen Adelsdame, Gertrud Grijp, wurde aber entlarvt, ergriffen und für seine Frechheit und seine Hochstapelei zum Tode verurteilt, floh, gelangte nach Schweden, wurde entlarvt, ergriffen, als katholischer Agent verdächtigt, floh, wurde entlarvt, ergriffen und schließlich 1636 in der kleinen Festung Kajaneborg im nördlichen Finnland eingesperrt, «einem engen, nassen, schmutzigen und stinkenden Gefängnis». Im gleichen Jahr, in dem Wivallius in Kajaneborg eingesperrt wurde, wurde übrigens ein anderer Gefangener von dort entlassen. Es war der frühere Uppsalaprofessor Johannes Messenius, der Mann, der einst mit Johannes Rudbeckius um die Gunst der Universitätsstudenten gekämpft hatte, aber auf den Verdacht hin, ein heimlicher Jesuit zu sein, zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Messenius war ein gebrochener Mann, er hatte in einem engen Raum eingesperrt gesessen, der mit feuchtem Moos abgedichtet war, dessen Fenster zerbrochen waren, in dem im Herbst und Frühjahr das Wasser über den Fußboden anstieg, aber wo er dennoch, trotz des Geruchs von Exkrementen und der Kälte und der Feuchtigkeit und den Anfeindungen der Wachen, unverdrossen an einem historischen Riesenwerk in zwanzig Bänden gearbeitet hatte,
Scondia illustrata
, «Das verherrlichte Skandinavien» – einem der ersten Versuche, alte Sagen und Dokumente kritisch zu sichten und auf diese Weise ein
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