Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Festungswälle wurden nur von rund 200 Mann sowie einer Anzahl von Freiwilligen verteidigt, und deshalb hätte es nicht schwerfallen dürfen, die Stadt im Sturm zu nehmen. Dies aber wollte Torstensson um jeden Preis vermeiden. Sturm bedeutete Plünderung, und er brauchte die Stadt und ihre Vorräte intakt angesichts des kommenden Winters. Deshalb leitete die schwedische Armee eine regelrechte Belagerung der Stadt ein. Es ging schnell. Annäherungsgräben wurden angelegt, sie gingen von einigen der schönen, aber nun im Herbst trockengelegten Brunnen unmittelbar vor der Stadt aus und führten bis an die Mauern. Eine Galerie – also der größte Typ eines Minengangs – wurde unter dem Wallgraben der Stadt gegraben; Breschbatterien mit schweren Geschützen wurden aufgestellt und begannen, die Mauern unter Feuer zu nehmen; einige Minen wurden gezündet. Eine der Bastionen der Stadt wurde angegriffen, aber die Sturmkolonne aus Banérs altem blauem Regiment lief in die falsche Richtung, und 60 von ihnen wurden in dem knatternden Kreuzfeuer von musketenbewaffneten Studenten und Leipziger Bürgern oben auf dem Wall niedergemäht.
Die Schweden belagern Leipzig 1642 . Zwei Batterien mit Kanonen (G, D) und eine kleine Mörserbatterie (E) schießen eine Bresche (H) in die Bastion (B). Schwedische Scharfschützen in einer Parallele (P) und in einigen Häusern halten mit ihrem Feuer die Verteidiger von den mit Schanzkörben gekrönten Wällen fern. In einer Approche (F) rücken Verstärkungen vor. Die aufgespannten Tücher (M) dienen als Schutz gegen Einsicht von den Mauern.
Es war offenkundig, dass die Schweden es ernst meinten. Leipzig musste daher entsetzt werden. Der Oberbefehlshaber des kaiserlichen Heeres, Leopold Wilhelm, ein Bruder Ferdinands III . und deshalb Erzherzog, beriet sich mit seinem Astrologen de Werwe darüber, was die Sterne über die Zukunftsaussichten des schwedischen Heeres zu sagen hatten. Die Aussichten können nicht so glänzend gewesen sein, denn nachdem de Werwe einen kurzen Blick auf sie geworfen hatte, ermunterte er den Erzherzog, eine Schlacht zu wagen. Offenbar war jedoch die Angst des Erzherzogs vor Feldschlachten größer als sein Glaube an die Sterne, denn das kaiserliche Heer näherte sich Leipzig vorsichtig. Das schwedische Heer zog sich daraufhin zurück, in großer Hast und in einer gewissen Unordnung. Gestärkt im Geist ließ Leopold Wilhelm das kaiserliche Heer folgen. Als seine Soldaten am Abend des 22 . Oktober 1642 auf den Feldern vor Leipzig ihre Zelte aufschlugen, waren sie davon überzeugt, dass sie einen angeschlagenen und auf dem Rückzug befindlichen Gegner verfolgten. Ein kleines Stück weiter entfernt lag ein Dorf, dessen Namen einige von ihnen wiedererkannt haben müssen: Breitenfeld. Das war elf Jahre her.
Früh am nächsten Morgen, dem 23 . Oktober, drangen sie weiter vor über die wellige Ebene. Als die Truppenkolonnen gegen sieben Uhr auf einen niedrigen Höhenzug gelangten, machten sie überrascht halt. Sie sahen plötzlich die gesamte schwedische Armee, die bis dahin in einer weitläufigen Senke verborgen gewesen war, in voller Schlachtordnung aufgestellt; Flaggen, Rufe, Farben, Trommelwirbel: ein Anblick, ebenso majestätisch wie erschreckend, ebenso schön wie furchtbar.
Die Schweden kamen direkt auf sie zu.
4 . Geriet ich so unvermutet in den Krieg
‹Jeder sollte bereit sein, am nächsten Tag zu kämpfen› – Die große Schlacht bei Leipzig – Karl Gustav. Olof Mattson Spottkrok – Neue schwedische Sommeroffensive – ‹Wie eine Wüste› – Die pommersche Diversion – Krockow zieht nach Norden – Erik gerät in den Krieg – Die Soldaten – Ihre Kleidung – Wer sie waren – Werbungsprozeduren – Ausbildung und Drill – Der moralische Verfall – Die Belagerung von Belgard
Der Rückzug am Vortag war eine Kriegslist Torstenssons, mit der er die Kaiserlichen dazu verleiten wollte, näher heranzukommen. Sobald die Dunkelheit angebrochen war, hatten die schwedischen Truppen halt-und kehrtgemacht und sich in Schlachtordnung aufgestellt. Und so standen sie die ganze Nacht hindurch auf den schlammigen Feldern; nur wenige Feuer waren in der Herbstkälte angezündet, um die Position der Armee nicht zu verraten, während die nächtlichen Geräusche der nichtsahnenden kaiserlichen Truppen mit dem Nachtwind zu ihnen hergetragen wurden. Noch vor Anbruch der Morgendämmerung konnten die schwedischen Soldaten in der Entfernung auch hören, wie ihre Gegner
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