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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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reduziert, um die die Kavallerie sich drehte. Außerdem war die Reiterei von entscheidender Bedeutung für die Versorgung der Armeen. Sie war es, die in alle Himmelsrichtungen ausschwärmte und Verpflegung sammelte, und sie war es, die wie wütende Wespen ein gegnerisches Heer umschwirren und daran hindern konnte, die Versorgungsmöglichkeiten eines Gebiets auszuschöpfen.
    Außerdem hatten die Desertionen in der schwedischen Reiterei zugenommen, nicht weil es der schwedischen Armee so schlechtging, sondern im Gegenteil, weil es so unerwartet gutging. Für einen gewöhnlichen Menschen gab es im 17 . Jahrhundert im Großen und Ganzen nur zwei Arten, schnell reich zu werden. Die eine war fiktiv: den «irgendwo vergrabenen großen Schatz» zu finden, ein in den Volksmärchen und Volksmythen immer wieder anzutreffendes Motiv. Die andere war gefährlich: am Krieg teilzunehmen – als Soldat oder als Marodeur – und dort gute Beute zu machen. Gerade die Plünderungen und der Gewinn von Kriegsbeute waren ein wichtiger Antrieb für die Beteiligten, vom General bis zum einfachen Soldaten. Und wenn solch ein einfacher Soldat einen richtigen Fang gemacht hatte, zum Beispiel bei einer Erstürmung, dann hatte er allen Grund, sich von der Armee fortzustehlen und in Zurückgezogenheit und relativem Wohlstand ein bürgerliches Leben zu beginnen. Die Reiter, die sich im Gegensatz zum Fußvolk in kleinen, schwer überschaubaren Scharen bewegten und im Unterschied zu den still vor sich hin trottenden Infanteristen auf dem Rücken ihrer Pferde schnell aus dem Staub machen konnten, neigten deshalb besonders dazu, der Truppe den Rücken zu kehren. Torstensson klagte vernehmlich:
    Bei der großen disordre, dem Plündern und Rauben, das hier vor sich geht, bessert sich die Reiterei nicht. Manche, die etwas Reales zu fassen bekommen, machen sich mit allem auf und davon … Confusion, Exzesse und disordre nehmen überhand; und unsere Stellung, die andernfalls ihr bemerkenswertes stabilement haben könnte, kann darüber kaum beständig werden.
    Dass Torstensson jetzt nur auf stark gelichtete Scharen blicken konnte, beruhte jedoch nicht allein auf Kampf-und Marschverlusten sowie Desertionen. (Die Kampfverluste hatten wie gewöhnlich die Offiziere am härtesten getroffen, und das schwedische Heer litt jetzt unter einem Mangel an Offizieren. In mehreren Regimentern gab es keinen dienstfähigen Hauptmann.) Jedes Mal, wenn eine neue Stadt oder Festung bezwungen worden war, hatte man dort Truppen als Besatzung zurücklassen müssen. Deshalb konnte Torstensson jetzt, Anfang Juli, nur noch 11 000 Mann an beweglichen Truppen kommandieren, der Rest saß hinter dicken Festungswällen überall in Mähren und Schlesien fest. Und es gab überaus schlechte Nachrichten, denn nun stand der kaiserliche Gegenzug ins Haus, durch Piccolomini und ein Heer von über 20 000 Mann. Es hatte lange gedauert, Truppen zusammenzubekommen, um Torstensson entgegenzutreten. Nur mit ungewöhnlicher Gemächlichkeit waren die verstreuten kaiserlichen Korps zusammengetrommelt worden, und der lokale Adel hatte trotz heftigen Gepolters von Seiten des Kaisers keine größere Bereitwilligkeit an den Tag gelegt, sich unter die Fahnen zu begeben. Aber Truppen auf dem Weg zum Krieg in den Niederlanden waren zurückgerufen worden, und mit Hilfe eines gewaltig in die Höhe getriebenen Handgelds (am Ende 56 Gulden für einen Soldaten und 100 für einen Reiter) war wieder eine kaiserliche Armee auf die Beine gestellt worden – die wievielte, ist schwer zu sagen. Und nun war dieses Heer unterwegs, mit direktem Kurs gegen die schwedische Armee, die eingehüllt in den üblichen Donner und Rauch die wichtige Stadt Brieg im nördlichen Schlesien belagerte.
    Ein weiteres Paradox war aufgetaucht. Das Paradox der Heeresgröße war schon bekannt. Große Armeen, die leicht auf dem Schlachtfeld siegen und Städte einnehmen konnten, waren bekanntlich schwer zu unterhalten; kleine Armeen, die leicht zu unterhalten waren, hatten Schwierigkeiten, Schlachten zu gewinnen oder Städte einzunehmen. Nun zeigte sich noch ein Widerspruch: das Besatzungsparadox. Wenn eine Armee es unterließ, die befestigten Orte einzunehmen, konnte sie sich auf Dauer in einem Land nicht halten,
obwohl
sie im offenen Feld unumstritten herrschte. Doch wenn eine Armee sorgfältig die meisten befestigten Orte einnahm, konnte es gleichfalls schwierig werden, sich zu halten, denn das Abstellen von Leuten für Festungsbesatzungen nahm

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