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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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aufbrachen. Ein Beteiligter berichtet:
    Es war Befehl gegeben, daß jeder entschlossen und bereit sein sollte, am nächsten Tag zu kämpfen. Vor der Morgendämmerung wurde in allen Regimentern Andacht gehalten, und Gott der Allmächtige wurde angerufen, uns victoria zu verleihen. Bei Tagesanbruch wurde sogleich reveille, vocetere und Marsch befohlen und der Feldruf «Hilf Jesu dem Heer» ausgegeben, worauf die ganze schwedische Armee sich in voller Schlachtordnung in Bewegung setzte.
    Die kaiserlichen Soldaten ihrerseits waren nicht auf Kampf vorbereitet. An die Infanteristen war keine Munition ausgeteilt worden, und die Reiterei hatte ihre Pistolen nicht bekommen, die noch auf den Trosswagen lagen. Sie bekamen jedoch einen kurzen Aufschub, bevor die Schweden über ihnen waren, denn die Kaiserlichen hatten sich ein wenig zur Linken der schwedischen Linie offenbart, die nun ein Stück nach dort verschoben werden musste, bevor der Angriff beginnen konnte. Leopold Wilhelm galoppierte zwischen den Gliedern von Kriegern und Pferden umher, die in größter Hast von Kolonne auf Linie umschwenkten, und ermahnte seine Leute, ihre Pflicht zu tun und tapfer zu kämpfen. Die kaiserliche Artillerie wurde schnell an die Front gerollt. Der Erzherzog hoffte, dass sie die Schweden würde aufhalten können, während seine Truppen sich in Schlachtordnung formierten.
    Die kaiserlichen Kanoniere taten etwas Ungewöhnliches: Sie luden ihre Geschütze mit Kettenkugeln. Dieses eigenartige Projektil bestand aus zwei Halbkugeln, die mit einer Kette verbunden waren. Dieser Typ von Kugeln wurde meistens auf See verwendet, um Segel und Takelage zu zerschießen, und hatte schlechte ballistische Eigenschaften. Aber wenn es gelang, mit ihnen zu treffen, konnte die Wirkung grauenvoll sein; die Kette spannte sich und bildete auf diese Weise ein einziges wirbelndes Riesenprojektil.
    Diese grotesken Höllenmaschinen kamen nun mit einem Heulen über die Felder geschwirrt und hackten sich durch die aufrecht stehenden Glieder von Pferden und Mannschaften. Eine Kettenkugel schlug direkt in die schwedische Generalität ein. Das Geschoss peitschte durch den Schoßteil von Torstenssons Pelz, tötete sein Pferd, ging durch zwei weitere Pferde hindurch, die zerrissen zusammenbrachen, riss einen Kanzlisten namens Martin Qvast zu Boden und trennte den Assistenzrat Lars Grubbe in der Mitte durch. Einer von denen, deren Pferd die Kettenkugel zerrissen hatte und der nun blutüberströmt zu Boden taumelte, war ein 19 -jähriger Jüngling, ein wenig untersetzt, mit vorgeschobener Unterlippe, sinnlichem Mund und langem, schwarzem Haar, das sein Gesicht umrahmte. Sein Name war Karl Gustav, und er war der Sohn von Karls IX . Tochter Katarina und also Vetter von Königin Christina. Er befand sich seit einigen Monaten beim schwedischen Heer, um das Kriegshandwerk von Grund auf zu erlernen. Sein Vater hatte sich der Idee widersetzt, aber der hitzige junge Mann hatte insistiert: «Ich bekenne, daß Gott mir von Natur aus eine lebhafte Begierde gegeben, mein Glück durch das Schwert zu suchen, gleichwie ich auch heiß wünsche, es zu suchen, bis ich es finde.» Dies war seine erste Schlacht, aber es sollten mehr werden, denn er wurde, als seine Zeit kam, König Karl X. Gustav von Schweden.
    Die schwedischen Linien rückten trotz allem vor, durch das Chaos von Schreien, Eingeweiden und Körpersäften und Teilen von Fingern und Zähnen und Schenkeln. Es war eine ganz normale Schlacht im 17 . Jahrhundert.
    Der grellbunte, schwankende Wald von schwedischen Fahnen und Standarten kam dem wirbelnden Rauch immer näher. Schließlich prallten die Heere aufeinander.
    Die äußere Form war klassisch: zwei parallele Linien, die aufeinanderprallen, bis die eine Seite weicht. Keine Finessen, keine Tricks oder smarten Pläne, nur ein unablässiges Morden aus kürzester Distanz, denn, wie der Historiker und Kriegsveteran Julius Mankell geschrieben hat, «nachdem die beiden Heere einmal zusammengestoßen waren, entbrannte der Kampf wie ein Feuerwerk, an dessen Richtung, nachdem es einmal angezündet war, wenig geändert werden konnte».
    Der rechte Flügel der schwedischen Reiterei warf sich auf sein kaiserliches Gegenüber. Die kaiserlichen Reiter waren wie gesagt nicht kampfbereit und nicht einmal ordentlich aufgestellt, bevor die Sturzwelle von Pferdehufen über sie hereinbrach. Mehrere Regimenter warteten den Angriff nicht einmal ab, sondern brachen auseinander und verschwanden in Panik

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