Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
ohne einen Degenhieb nach hinten. Das Kavalleriegefecht war, wie schon so oft, ein Anstürmen gegen eine Mauer; schon der erste Stoß ließ einige Ziegelsteine herausfallen; dann nahmen die schwedischen Reiter einen neuen Anlauf, ordneten ihre Reihen und warfen sich wieder nach vorn; nun bekam die Mauer noch mehr Risse; immer mehr kaiserliche Schwadronen strömten in Auflösung über die herbstlich nassen Felder davon; dann eine Pause und danach ein letzter Ansturm: Jetzt brach der kaiserliche Reitereiflügel auf dieser Seite zusammen. (Viele Offiziere waren zu diesem Zeitpunkt von speziell eingeteilten Gruppen schwedischer Musketiere niedergeschossen worden, die der eigenen Reiterei Feuerschutz gaben.) Es half nichts, dass Leopold Wilhelm selbst in dieser brüllenden Brandung von Schrecken und Entsetzen umherritt und bat, fluchte und mit seinem Degen fuchtelte. Die Panik war nicht einzudämmen.
Die Schlacht bei Leipzig 1642 . Das Bild zeigt die Kämpfe auf dem rechten schwedischen Flügel (die kaiserlichen Streitkräfte sind im Bildvordergrund zu sehen – es ist ihr Tross). Hier gelangen den Schweden ihre ersten Erfolge. Schon hat sich unter der kaiserlichen Reiterei auf dieser Seite Panik ausgebreitet. Am oberen rechten Bildrand sieht man schwedische Reiterverbände, die das kaiserliche Fußvolk angreifen.
Auf der anderen Seite des Schlachtfelds hatte der linke schwedische Kavallerieflügel nicht den gleichen Erfolg gehabt. Die kaiserliche Reiterei war hier stärker, und der erste Angriff prallte ab. (Dort wurde unter anderem der Befehlshaber des Flügels, Erik Slang, der einarmige Offizier, der Beraun geplündert und später in Neunburg dazu aufgefordert hatte, Steine zu werfen, von einem Pistolenschuss tödlich getroffen.) Unter dem bewölkten Herbsthimmel blieben die beiden Linien erstarrt voreinander stehen.
In der Mitte begegnete sich das Fußvolk beider Seiten. Anfänglich blieb die schwedische Linie stehen, 75 bis 80 Meter von dem scheppernden Gewimmel der feindlichen Piken, Harnische und Musketenmündungen. Hier, in dem rasch dichter werdenden Pulverrauch, kam es zu einem schaurigen Schusswechsel; beide Seiten sprühten Geschosse aus Musketen und Kanonen aufeinander. Auf diese lächerlich kurze Distanz war es schwer, nicht irgendjemanden oder irgendetwas zu treffen in den kompakten, still stehenden Massen, die durch die Löcher in dem weißen Rauchvorhang zu sehen waren. Menschen fielen die ganze Zeit, allein oder in zappelnden Gruppen, von Bündeln heulenden Traubenhagels umgefegt. Die Feldherren fürchteten solche Situationen, in denen die Infanterie in ein langwieriges, blutiges und ergebnisloses Feuergefecht verbissen war. Schließlich war die Munition verschossen – ein Musketier nahm nur zwischen 20 und 30 Schuss mit in den Kampf –, und das pulverrauchgeschwärzte Fußvolk beider Seiten stürzte vorwärts und traf in einem stahlklirrenden Handgemenge aufeinander. Nach einem wechselvollen Nahkampf, bei dem beide Seiten abwechselnd Boden gewannen, wurde das kaiserliche Fußvolk schließlich einige hundert Meter zurückgedrängt in einen kleinen Fichtenwald mit Namen Linkelwald. Dort zwischen den Büschen am Waldrand konnten die Kaiserlichen ihre aufgelösten Linien neu ordnen. Die erschöpfte schwedische Infanterie hielt sich zunächst zurück. Sie begnügte sich damit, ihre Gegner mit Traubenhagel aus den eigenen wie aus eroberten Kanonen zu beschießen.
Währenddessen hatte auch der linke schwedische Kavallerieflügel Erfolg, und der größte Teil der kaiserlichen Reiterei löste sich auf; ein Teil warf die Waffen fort und ergab sich auf Gnade oder Ungnade, die meisten verschwanden spornstreichs, verfolgt von unregelmäßigen Wellen schwedischer Reiterei. Die Verwirrung war nun total. Pferde und Reiter jagten in alle Richtungen durch den stinkenden Rauch. Weder Torstensson noch dem Erzherzog gelang es, ein paar Schwadronen zu sammeln, um sie in dem chaotischen Infanteriegefecht in der Mitte einzusetzen. Beide waren gleich hilflos. Einer der höchsten Befehlshaber der kaiserlichen Seite, Webel, wurde zweimal nacheinander gefangen genommen und wieder befreit. Der Erzherzog selbst sah sich in dem Rauch plötzlich Auge in Auge einem schwedischen Dragoner gegenüber, der seine Pistole hob und abdrückte. Sie versagte. Leopold Wilhelm konnte im Gewimmel entkommen.
Ein erneuter Angriff des schwedischen Fußvolks ließ die blutbefleckten kaiserlichen Infanteristen im Linkelwald zurückweichen, aber
Weitere Kostenlose Bücher