Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
genannt hatte. Nach gut zwei Monaten, als 2000 Soldaten und 5339 Kanonenkugeln ohne jeden Nutzen draufgegangen waren, gab auch Torstensson seinen Versuch auf.
Im Spätwinter 1643 stand das schwedische Heer wieder einmal an der nördlichen Grenze Böhmens. Der Feldzug 1642 war zweifellos eine Enttäuschung für die Schweden; trotz großer Erfolge war es ihnen nicht gelungen, in Schlesien und Mähren Fuß zu fassen, und in die Höhle des Löwen, nach Österreich und Wien, war man nicht gelangt. Aber auch wenn die verschiedenen militärischen Erfolge dieses Jahres mehr als flüchtig zu sein schienen, hatten sie doch gewisse politische Resultate, wenngleich nicht unmittelbar sichtbare. Die Vorstellung mehrerer aufgeriebener kaiserlicher Heere, zahlreicher kapitulierender Städte und Festungen sowie einer weiteren verlorenen Schlacht ließ die deutschen Bundesgenossen des Kaisers einhellig erschaudern. (Die Bedeutung großer Feldschlachten lag häufig mehr auf der politischen und psychologischen Ebene als auf der rein militärischen.) Dies galt vor allem für die Landesherren im westlichen Deutschland, die sich zwischen den langsam operierenden französischen Heeren am Rhein und Torstenssons flink herangaloppierenden Truppen im Osten eingeklemmt fühlten; insbesondere betraf dies den Fürsten in Bayern, der heimlich Fühler nach Paris ausstreckte, um sich nach der Möglichkeit eines Separatfriedens zu erkundigen. Der Kaiser stand zunehmend einsamer da – zumal zwischen seiner Familie und den spanischen Habsburgern ein Zwist darüber ausgebrochen war, wer den außerordentlich wichtigen Posten als Gouverneur der schwer bedrängten spanischen Niederlande übernehmen sollte: Der Kaiser hatte erwartet, dass das Angebot an den Erzherzog Leopold Wilhelm ergehen würde, aber der arrogante und unsensible Philipp IV . wollte den Posten stattdessen einem seiner unehelichen Söhne geben, einem zwölfjährigen Jungen, den er mit seiner Lieblingsmätresse, der bekannten Schauspielerin Maria Calderón, gezeugt hatte.
Im Jahr 1643 war die allgemeine Meinung wahrlich für Frieden, für Frieden um nahezu jeden Preis. So konnte es nicht weitergehen. Deutschland war im Begriff, in Schutt und Asche zu versinken. Überall im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation riefen die Menschen nach einem Ende des Krieges, und der Ruf verschaffte sich in einer Vielfalt von Formen Gehör: Gebeten, Pamphleten, Medaillen, Liedern, illustrierten Flugblättern und Schauspielen. Und sicher zeitigte dieser literarische Aufruhr Resultate. Besonders Schauspiele, wie zum Beispiel Justus Schöttels «Friedens Spiegel» und des Hamburger Pfarrers Johann Rists «Friedens Sieg» erreichten zu dieser Zeit ein unerwartet großes und bedeutungsvolles Publikum. Der Kaiser hatte murmelnd die Friedensverhandlungen in Westfalen – das nun entmilitarisiert war – verschleppt, doch das letzte Angebot war, dass sie im Sommer 1643 ernsthaft in Gang kommen sollten.
Bis zu den wirklichen Verhandlungen sollte es jedoch noch lange dauern. Ein neuer Krieg wartete nämlich in den Kulissen.
Das Frühjahr 1643 verbrachte die schwedische Armee damit, sich auszuruhen, einige kleinere Ausfälle und schnelle Angriffe auszuführen sowie die Fühler nach neuen Bundesgenossen im Osten auszustrecken. Der protestantische Fürst Georg Rákóczy I. von Transsilvanien, der bereits früher hatte erkennen lassen, dass er bereit war, in den Krieg gegen die Habsburger einzutreten, hatte nach Unterhandlungen versprochen, mit Schweden und Franzosen zu den Waffen zu greifen. Auch wenn die Hilfe, die von dort zu erwarten war, nicht besonders groß war, bestand so immerhin die Möglichkeit, in Ungarn ein Feuer zu entfachen, heimtückischerweise direkt im Rücken des Kaisers in Wien. Das konnte die 150 000 Reichstaler, die Fürst Georg an jährlichem Unterhalt für sein Ungemach begehrte, wohl wert sein.
Die Kampagne im Sommer 1643 ergab nur geringe Resultate. Torstenssons Armee war vom Blitzkrieg des Vorjahres gezeichnet und geschwächt und deshalb gezwungen, mit einer gewissen Vorsicht zu operieren. Die Kaiserlichen waren nach dem Aderlass von 1642 ebenfalls kraftlos und begnügten sich damit, die Schweden vorsichtig aus der Distanz zu beobachten und sich dann in einer sicheren Sperrposition einzugraben, sobald die Gegner sich zeigten. Auf diese etwas steifbeinig verkrampfte Weise grätschten die beiden Heere erneut nach Osten, ins nördliche Mähren hinein. Die schwedischen Abteilungen, die
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