Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Männer der Rotte ausbilden, «um die anderen vier ebenso geschickt in der Handhabung von Pike und Muskete zu machen wie sie selbst, oder in Eisen gelegt zu werden, wenn sie nachlässig sind». (Eine Woche war eine kurze Zeit, denn ein Musketier musste, um seine Waffe handhaben zu können, mehr als 140 Griffe beherrschen; ein Pikenier hatte es etwas einfacher, er hatte nur 21 verschiedene Griffe zu lernen.) Danach folgten einige Wochen mit Exerzieren, zunächst nur in der Rotte, danach in Zügen und Kompanien und zuletzt mit dem gesamten Bataillon oder der Schwadron. Dort mussten sie all die komplizierten Bewegungen üben, das Schwenken, die Verdoppelung und die Kontramärsche, links um oder rechts um zu machen, auf den Abstand zu achten und «still zu sein, nicht miteinander zu plappern», und lernen, wie man seine Waffe trug, ohne dass sie an die der anderen schlug, die Kameraden verletzte oder Lärm machte. Gleichzeitig mussten sie auch die verschiedenen Trommelsignale lernen: Marsch, Attacke, Rückzug, Sammlung und so weiter.
Die kurze Ausbildung sollte den Verband also in die Lage versetzen, einen Kampf im offenen Feld zu bestehen, wozu es jedoch selten kam. Ein Soldat konnte einen ganzen Krieg mitmachen, ohne ein einziges Mal eine richtige Schlacht zu erleben. Das Leben, das den Soldaten erwartete, war stattdessen in der Regel ohne jede Dramatik. Zwar war es ein ständiger Kampf, doch weniger gegen den Feind als vielmehr gegen Müdigkeit, Hunger und Krankheiten. Es wurde marschiert, marschiert, marschiert, im Durchschnitt fünf bis zehn Kilometer pro Tag, in langsamem Tempo von Lagerplatz zu Lagerplatz. Erlebte man einen Triumph, bestand dieser in der Regel darin, dass man einen warmen, auf jeden Fall aber trockenen Schlafplatz fand, dass man etwas zu essen und zu trinken bekam oder dass man sich vom Typhus, von der Ruhr, dem Fieber, der Tuberkulose erholte, von der man befallen worden war. Und meistens bestand dieser Krieg – genau wie alle anderen Kriege – vor allem aus Warten und Schlafen und Warten und Gähnen und Warten auf ein Etwas, das nie zu geschehen oder zu kommen scheint und das, wenn es geschieht oder kommt, dies nur allzu schnell tut; ein Leben von großer und fast grandioser Monotonie, in dem die Tristesse dann und wann plötzlich aufbricht und der Soldat für ein paar kurze Stunden eine Kakophonie von Entsetzen und schrillen Gräueln erlebt, ja, zuweilen sogar sublime Augenblicke von Schönheit und sogar Glück, wonach alles still wird und der Überdruss und die Kälte und die Nässe und der Dreck und der knurrende Hunger und der Fieberwahn und das Husten und die Läuse und die Fliegen und die Mücken und die Blasen und die Schulterschmerzen und die Müdigkeit in den Beinen sich von neuem einstellen. Und wieder von vorn.
Es war nicht erstaunlich, dass die Menschen, die sich in diese Welt der Extreme verloren hatten, ihr Vergnügen suchten, wo immer sie es finden konnten. Deshalb betrachteten die Zeitgenossen die Heere nicht nur als große zerstörerische Organismen, sondern auch als Brutstätten sittlicher Verderbnis. Das Entgegennehmen des Handgelds wurde von Außenstehenden häufig als der erste Schritt in den moralischen Verfall beschrieben. Die Heere waren auch wandernde Großstädte, in denen ein bedeutender Teil der sozialen Kontrolle außer Kraft gesetzt war und die Menschen sich deshalb Vergnügungen hingeben konnten, denen die Geistlichkeit und andere Obrigkeiten in den Städten Einhalt zu gebieten versuchten. In ihrem Alltagsleben frönten die Soldaten einer Vielzahl verschiedener Laster. Eines von diesen war das Glücksspiel. Es wurde zuweilen versucht, jedes Glücksspiel in den Armeen zu verbieten – wenn nicht aus anderen Gründen, dann aus dem, dass es der Anlass für so viele Schlägereien und Totschläge war und die Soldaten zuweilen verleitete, ihre Waffen und Ausrüstung zu verspielen, ja sogar ihre Essensrationen auf ein paar Karten oder ein Würfelspiel zu setzen. Häufig begnügten sich die Befehlshaber damit zu verfügen, dass alles Spiel an einem einzigen Platz im Lager in der Nähe der Wache stattfand, die dann leicht eingreifen und die ständig aufflammenden Streitereien verhindern konnte.
Ein anderes Laster war das Saufen, das von Hoch und Niedrig mit der gleichen unverhohlenen Freude gepflegt wurde. Ein drittes war die Unzucht. Wie schon zuvor gesagt, begleiteten große Gruppen von Frauen die marschierenden Heere, und viele von ihnen waren Prostituierte. Die
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