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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Soldaten über einen Kamm zu scheren. Einige waren ordentliche, anständige Kerle und schafften es auch, standhaft gegen alle widrigen Umstände, dies zu bleiben. Genau wie in allen anderen Kriegen war wahrscheinlich die große Mehrzahl weder gut noch schlecht, sondern nur schwach, und sie trieb dahin, wohin der Wind sie führte. Und wie sonst auch gab es natürlich eine kleine Gruppe, die entdeckte, dass es ihr Freude machte, zu zerstören und zu töten: Dinge zu zerstören, Tiere zu töten, Menschen zu töten.
    Die einzig richtige Antwort muss wohl lauten, dass diese Soldaten beides waren, Übeltäter
und
Opfer. Sie behandelten die Zivilbevölkerung oft auf verabscheuungswürdige Weise, aber man muss hinzufügen, dass dies nicht immer die Regel war, dass es auch zahlreiche Beispiele von Soldaten und Verbänden gab, die trotz allem untadelig auftraten. Und die Bauern waren auch keine Unschuldsengel, wenn es darum ging, zurückzuschlagen. Man sollte sich nämlich davor hüten, die Volksaufstände dieser Zeit zu romantisieren. Menschen, die von einer arroganten Obrigkeit wie Tiere behandelt werden, beginnen schließlich, sich wie Tiere zu verhalten. Viele Bauern, die revoltierten oder zu den Waffen griffen, taten dies aus reiner Verzweiflung und hatten in der Regel kein durchdachtes Programm; sie schlugen nur blind auf den ein, bei dem sie die Schuld an ihren Leiden vermuteten. Das Resultat waren oft große Zerstörung und anscheinend sinnlose Mordtaten. Nicht selten ging man in seinem aufgestauten Zorn auf verschiedene Minderheiten los, die sich gerade anboten und leicht zu Sündenböcken zu machen waren, wie beispielsweise die Juden. In solchen Situationen wurde vieles niedergerissen und wenig aufgebaut. Es ist, wie Eric Hobsbawm über bestimmte Typen von Bauernrebellen schreibt: «Ihre soziale Gerechtigkeit war Zerstörung.» In dem unablässig geführten Krieg zwischen der Landbevölkerung und den Soldaten machten sich auch die Bauern grober Folterungen, grotesker Verstümmelungen Lebender und anderer Übergriffe schuldig – es gibt Erzählungen, die zeigen, dass manche in ihrer Raserei nicht zögerten, die Frauen und kleinen Kinder der Soldaten zu töten, wenn sie ihrer nur habhaft wurden. Außerdem ist der Unterschied zwischen dem Soldaten und dem Bauern zum Teil ein künstlicher – im 17 . Jahrhundert gab es nicht die scharfe Grenze zwischen Zivilisten und Militärs, die wir heute für selbstverständlich halten –, und wer in dem einen Jahr Bauer war, konnte im nächsten Jahr Soldat sein und umgekehrt.
    Die Soldaten lebten in einer Welt von Extremen, oder wie Grimmelshausen schreibt:
    Denn fressen und saufen, Hunger und Durst leiden, huren und buben, raßlen und spielen, schlemmen und demmen, morden und wieder ermordet werden, totschlagen und wieder zu Tod geschlagen werden, tribulieren und wieder gedrillt werden, jagen und wieder gejaget werden, ängstigen und wieder geängstiget werden, rauben und wieder beraubt werden, plündern und wieder geplündert werden, sich fürchten und wieder gefürchtet werden, Jammer anstellen und wieder jämmerlich leiden, schlagen und wieder geschlagen werden; und in Summa nur verderben und beschädigen und hingegen wieder verderbt und beschädigt werden, war ihr ganzes Tun und Wesen.
    Dies war die Welt, in die Erik nun eintrat, als er und sein Hausvater Anfang Oktober 1643 an dem Marsch von Königsmarcks Korps gegen den eingegrabenen Feind bei Belgard teilnahmen.
     
    Alle wussten, dass der Feind in der Nähe war. An einem der voraufgegangenen Tage hatte es ein Scharmützel zwischen schwedischen Truppen in Draumburg, das ein Stück südöstlich an der polnischen Grenze lag, und einer von Krockows Unterabteilungen gegeben. Dabei waren die Kaiserlichen zurückgeschlagen worden, und ihr Anführer, ein Oberst Vorhauer, entkam selbst nur mit Mühe und Not. Und am Vormittag des 11 . Oktober bekamen Königsmarcks vorwärtsstapfende Kolonnen zum ersten Mal Kontakt mit ihren Gegnern. Zuerst stolperten sie über eine große Herde geraubten Viehs, die von 180 kaiserlichen Reitern bewacht wurde, die schnell gefangen genommen wurden, und danach trafen sie auf eine Ansammlung von Wagen, die einem der Obersten der anderen Seite gehörten, und auch diese wurden ohne einen Schuss einkassiert. Gegen Mittag erreichten sie Schloss Schielbein ungefähr 30 Kilometer südwestlich von Belgard.
    Dragoner wurden zum Schloss geschickt, aber sie wurden mit scharfem Feuer aus Musketen und Kanonen

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