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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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braunen Karren, in der Regel von Viergespannen gezogen, dazwischen die eine und andere grell geschmückte Karosse, die die Befehlshaber trägt. Am linken Bildrand ist etwas zu erkennen, das wohl stets auf den Wintermärschen vorkam, aber fast nie im Bild festgehalten ist: Ein Berghang ist von glänzend blankem Eis bedeckt, und eine kleine Gruppe von zappelnden Pferden und Reitern ist gerade auf dem glatten Boden ins Rutschen gekommen. Im Vordergrund sieht man eine Gruppe von Menschen. Es dauert eine Weile, bis man erkennt, dass es tatsächlich Soldaten sind. Sie schleppen lange, ein wenig schwankende Piken. Ein Teil von ihnen trägt Musketen, lässig, beinahe nachlässig, die Gabel baumelt zwischen ihren Fingern oder dient als zusätzliche Stütze. Ihre Kleider sind von einer schwer bestimmbaren graubraunen Färbung, bauschig, groß, verschlissen. Ihre Kopfbedeckungen unterscheiden sich stark in Farbe und Form. Ein vereinzelter Sturmhut ist zu sehen, mit einer Andeutung von Rost, außerdem wurstförmige Filzhüte, spitze Strickmützen, einfache Pelzmützen mit umklappbaren Krempen, die im Wind wehen; einer hat einen roten Schal fest um den Kopf gebunden. Man spürt geradezu die Kälte und den sauren Geruch von Armut. Sieht man genau hin, erkennt man, dass nicht alle Krieger sind. Da ist unter anderen eine Frau mit ihren zwei Kindern. Sie sind alle in lange Mäntel gehüllt, und besonders die Kleider der Kinder sind schäbig und löcherig – Fußsoldaten und ihre Familien, auf dem Marsch von Nirgendwo nach Nirgendwo.
    So sahen sie also aus. Aber was für Menschen waren sie?
    Erik Jönsson dürfte sich in dieser Ansammlung waffentragender Männer nicht allzu fremd gefühlt haben, denn das Durchschnittsalter in den Armeen, die in diesem Krieg kämpften, scheint um die 25 Jahre gelegen zu haben, und ein Viertel von denen, die sich den Heeren anschlossen, wurde geworben, bevor sie 20 Jahre alt waren. Besonders auf der schwedischen Seite, wo unwillige Bauernsoldaten immer wieder die Reihen auffüllten, scheint das Durchschnittsalter zuweilen noch niedriger gewesen zu sein. (In den Kontingenten, die in den dreißiger Jahren aus Västerbotten auf den deutschen Kriegsschauplatz hinuntergeschickt wurden, waren viele 15 -jährige Soldaten.) Es scheint jedoch beträchtliche Altersunterschiede gegeben zu haben; in den Verbänden beider Seiten sind nicht wenige Soldaten in den späten mittleren Jahren, ja sogar 60 -Jährige zu finden.
    Die nationale und ethnische Zusammensetzung der Truppen konnte ebenfalls sehr unterschiedlich sein. (Die ausgehobenen schwedischen Verbände mit Soldaten aus ein und derselben Landschaft waren wiederum eine Ausnahme.) Wahrscheinlich kämpften Menschen aus sämtlichen Völkern und ethnischen Minoritäten Europas in diesem Krieg, von Engländern und Schotten und Dänen bis zu Zigeunern, Juden und Samen. Die weitaus meisten Verbände bestanden wie gesagt aus Söldnern, und ihre Glieder wurden regelmäßig mit neuen Rekruten aufgefüllt, ganz wie die Einheit von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz wechselte. Dies bedeutete, dass die Regimenter eine nationale Vielfalt aufweisen konnten, die heute nahezu unglaublich erscheinen mag. Ein kleines Beispiel: Ein bayerisches Regiment, das zu dieser Zeit in Süddeutschland kämpfte, bestand hauptsächlich aus Deutschen – 534 Mann – und Italienern – 217 –, aber in ihm dienten auch Polen, Slowenen, Kroaten, Ungarn, Griechen, Dalmatiner, Burgunder, Franzosen, Tschechen, Spanier, Schotten, Iren und Lothringer – und dies in einem einzigen Verband. (Und dabei muss man auch berücksichtigen, dass «Deutscher», «Italiener», «Franzose» oder «Spanier» abstrakte Kategorien waren für die Zeitgenossen, die diese in verschiedene Untergruppen aufspalteten wie beispielsweise Sachsen und Westfalen, Piemontesen und Florentiner, Gascogner und Bretonen, Kastilier und Katalanen.) In diesem bayerischen Regiment dienten sogar 14 Türken. Dies mag als nützliche Erinnerung an etwas anderes dienen: Wenige Verbände außer den nationalschwedischen und wahrscheinlich den spanischen waren in religiöser Hinsicht besonders homogen. Große Gruppen von Protestanten unterschiedlicher Couleur kämpften für den Kaiser, und nicht wenige Katholiken marschierten auf der Gegenseite mit. Aber darüber muss man sich nicht wundern. Der Religionskrieg war wie gesagt praktisch beendet und vorbei.
    Aus welchen sozialen Schichten stammten die Soldaten? Die reichsschwedischen Verbände

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