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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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ihren Augen war die Gelegenheit auch rein strategisch günstig: Der Feldzug des voraufgegangenen Jahres in Deutschland war eine Enttäuschung gewesen, und wenn schon dort unten kein entscheidender Durchbruch in Sicht war, warum die teure Armee nicht zu etwas Gewinnbringenderem einsetzen?
    Axel Oxenstierna schrieb wenig später an seinen Sohn, der sich in Osnabrück befand, um die anberaumten Friedensverhandlungen mit dem Kaiser zu führen: «Es hat jetzt über viele Jahre in dieser Weise im Kessel gebrodelt und ist in diesem vergangenen so weit übergekocht, daß es nun zur Entscheidung für einen Krieg zwischen uns und Dänemark gekommen ist.»

2 . Blitzkrieg im Norden
    Der verspätete Kurier – Ein frühneuzeitlicher Blitzkrieg – Über den Postgang – Verspätungen, Finten und Verwirrung – Torstensson überschreitet die Grenze – Panik in Dänemark – Erik wird Zeuge der Erstürmung von Christianspris – Der Einfall in Jütland – Die Bauern leisten Widerstand – ‹Wir kriegen den Dänen nie besser als jetzt›
    Am 23 . September 1643 traf ein schwedischer Kurier auf Schloss Eulenburg im nördlichen Mähren, dem Hauptquartier Lennart Torstenssons, ein. Er hatte Stockholm Mitte Juni verlassen, um mit dem Oberbefehlshaber der schwedischen Armee Kontakt aufzunehmen, eine Reise, die im Normalfall zwischen vier und sechs Wochen beanspruchte. Die Gebirgswege zwischen Schlesien und Mähren waren jedoch wegen kaiserlicher Streifkorps ungewöhnlich unsicher, und eine Zeitlang hatte der Kurier, ein Mann namens Jakob Törnesköld, in Oppeln eingeschlossen gesessen. Deshalb brauchte er drei Monate, um die Strecke zurückzulegen.
    Der Kurier trug keine Briefe oder Dokumente bei sich. Der Rat hatte vom ersten Augenblick an beschlossen, mit der äußersten Vorsicht und unter größtmöglicher Geheimhaltung zu agieren. Denn um eine maximale Wirkung zu erreichen, sollte der Überfall auf Dänemark am besten als eine totale Überraschung kommen. Die Instruktionen an Torstensson waren deshalb von Axel Oxenstierna selbst geschrieben und anschließend chiffriert worden. Im schwedischen Heer und in der Verwaltung benutzte man einen Zifferncode, der die Mitteilung als eine Mischung von unschuldigen Phrasen und langen Nummernserien erscheinen ließ, deren Ziffern für ganze Wörter oder einzelne Buchstaben stehen konnten. Eine solche Mitteilung konnte folgendermaßen aussehen: «Eure Exzellenz. 163 . 184 . 62 . 31 . 72 . 92 . 248 . 285 . 277 . 1140 . 267 . 135 . 112 . 92 . 120 . 1156 . 320 . 139 . 306 . 1548 . 268 . 248 . …» und so weiter. Der Kurier hatte dann die ganze Mitteilung Ziffer für Ziffer auswendig gelernt, und endlich angekommen, stand er vor Torstensson und ratterte wie eine Maschine diesen numerischen Galimathias herunter.
    Nachdem die Mitteilung dechiffriert war, war es leicht zu verstehen, warum man in Stockholm alles getan hatte, damit sie nicht in die falschen Hände geriet. Sie enthielt nämlich in stark komprimierter Form den gesamten schwedischen Kriegsplan.
    Der von dem Kurier übermittelte Plan war abenteuerlich, was die Ausführung, und kühn, was das Ziel anbelangte. Wenn man in dieser Zeit große kriegerische Unternehmungen vorbereitete, waren sie im Allgemeinen von großer Vorsicht und bedeutender Langsamkeit geprägt. Es ging darum, mit Manövern, Belagerungen und durch Aushungern den Gegner in die Knie zu zwingen. Was sich der Rat in Stockholm nun gegen die Dänen ausgedacht hatte, war nichts Geringeres als ein frühneuzeitlicher Blitzkrieg. Dem Jüten sollte mit einem einzigen brutalen Schlag das Genick gebrochen werden. Es musste auch schnell gehen, denn am liebsten sollte die schwedische Hauptarmee zum Frühjahr wieder zurück in Deutschland sein, bevor die Kaiserlichen das militärische Vakuum, das ein schwedischer Marsch nach Dänemark hinterlassen würde, ausnutzen konnten und bevor die Franzosen – die den Schweden große Summen bezahlten, damit sie den Kaiser bekriegten – allzu viele peinliche Fragen stellen konnten.
    Der Angriff sollte überraschend kommen und an drei Stellen angesetzt werden. Den ersten Angriffskeil sollte die Hauptarmee unter Torstensson bilden. Der Feldmarschall sollte alle größeren Operationen in Deutschland abbrechen und das Heer in guter Verfassung halten, um auf den Herbst hin zur Ostseeküste zu marschieren, die Grenze nach Holstein und Jütland zu überschreiten und dort ins Winterlager zu gehen. Alle, die Widerstand leisteten, seien sie Deutsche oder

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