Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Nichtadlige in Schweden waren dieser Herrschaftsform gegenüber jedoch feindlich eingestellt. Weil sie der Aristokratie ein so großes Mitspracherecht einräumte, befürchteten sie, dass es über kurz oder lang damit enden könnte, dass das Reich zur reinen Adelsrepublik wurde – beispielsweise von der Art, wie sie in dem von Landjunkern und Magnaten regierten Polen zu sehen war. Christina war minderjährig, und das Reich wurde von ihren Vormündern im Rat regiert, und viele befürchteten, dass diese Regelung auch nach der Mündigerklärung der Königin bestehen bliebe und dass sie dann, wie der Doge in Venedig, ein politisches Aushängeschild sein werde. Und hatte nicht Axel Oxenstierna selbst in einem Gespräch mit einem französischen Diplomaten Schweden als
état aristocratique
bezeichnet?
In Dänemark war die Situation ähnlich, aber nur vordergründig. Der König und der hochadelige Reichsrat teilten die Macht über das Reich. Ein großer und wichtiger Unterschied zwischen den beiden Staaten lag im Verhältnis der Aristokratie zum Staat. Früher war der Staat eine unbedeutende Größe gewesen, ein kleiner Auswuchs an des Königs eigenem Haushalt – es war ja noch nicht so lange her, dass Gustav Vasa einen nicht unbedeutenden Teil der staatlichen Administration selbst besorgen musste, einschließlich des Schreibens von Briefen –, aber überall in Europa wuchsen nun die Staatsapparate in atemberaubendem Tempo, vor allem, weil praktisch nur der Staat die enormen wirtschaftlichen, technischen und administrativen Anforderungen, die die neuen Großkriege stellten, bewältigen konnte. Diesen Trend zur Zentralisierung fürchteten vor allem die alten Eliten, denen es vielerorts gelungen war, bedeutende politische, wirtschaftliche und religöse Freiheiten für sich selbst zu erwirken, die nun, wie sie mit einem gewissen Recht annahmen, durch den neuen Staat bedroht waren. Die Krise, die den Kontinent heimsuchte, war in nicht unbedeutendem Maß politisch und ideologisch und vom starken Staat hervorgebracht. Genauso wie zeitgenössische Gelehrte von Galilei bis Descartes das alte Weltbild in Frage gestellt hatten, hatte das Heraufkommen des neuen Staats, der ebenso geldhungrig wie kraftvoll war, den Boden unter mehreren traditionellen Machtzentren ins Schwanken gebracht, von den Kirchen über verschiedene regionale Gremien bis hinunter zu den gemeinschaftlichen Institutionen der Bauern in den Dörfern. In dieser Stimmung von Ungewissheit und Angst, da alte Weltbilder in sich zusammenfielen und neue noch nicht an ihre Stelle hatten treten können, da alte Quellen von Mündigkeit und Einfluss versiegt und neue noch nicht entsprungen waren, wurden Fragen nach Macht und Autorität immer wichtiger. (Wem war erlaubt, was zu tun, und warum? Woher kam wirkliche Autorität? Und wie entstand sie?) Eine Gruppe, die nachdrücklicher als viele andere diese Fragen stellte, während sie gleichzeitig von der Entwicklung, die diese aufkommen ließ, ebenso erschüttert wurde, war also der Adel. In allen europäischen Ländern leistete die Aristokratie heftigen Widerstand gegen die Ausweitung des Staats und die damit einhergehende Vermehrung der königlichen Machtfülle. Dieser Zweikampf zwischen Hochadel und Staat hatte in Schweden im Jahr 1600 mit dem sogenannten Blutbad von Linköping seinen Höhepunkt erreicht, als eine Anzahl hoher Ratsherren, die sich gegen Herzog Karl, den Vorgänger Gustav Adolfs II ., gestellt hatten – unter ihnen Johan Banérs Vater –, auf einem Podest auf dem Eisenmarkt in dieser Stadt enthauptet wurde. Nach Gustav Adolfs Thronbesteigung war diesem Ereignis jedoch ein merkwürdiger historischer Kompromiss zwischen der Königsmacht und dem Adel des Reichs gefolgt. Stark vereinfacht, lässt er sich so beschreiben, dass der Adel versprach, seine Kräfte in den Dienst des Thrones zu stellen, und der König als Gegenleistung die Privilegien des Adels stärkte und dessen herausgehobene gesellschaftliche Stellung sicherte.
Dieser Kompromiss gab der schwedischen Königsmacht einen großen Vorsprung bei der Errichtung eines starken und zentralisierten Staates. Der Vorteil war so groß, dass er in mehrfacher Hinsicht die dänische militärstrategische und wirtschaftliche Überlegenheit aufwog. (Dies wurde noch deutlicher, als später die immer schlechteren Konjunkturen in Europa die Preise fallen ließen, zunächst für Getreide, danach für Vieh. Ungefähr zur gleichen Zeit war auch klargeworden, dass die groß
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