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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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eine grobe Verletzung der Grenzen sehen und dass zutraf, was Torstensson zu den erschrockenen dänischen Amtspersonen sagte, denen er begegnete, dass er nur gute Winterquartiere suche. Christian selbst wollte nicht glauben, dass die Schweden auf diese ungebührliche Art und Weise einen Krieg begonnen hatten, sondern gehörte zu denen, die hofften, dass es sich nur um umherstreifende einzelne Korps handelte, die auf eigene Faust ins Land eingefallen waren, um Unterhalt zu suchen. Sie standen ja außerdem nur in Holstein, das durch eine Union mit Dänemark verbunden war, aber rein formal als ein Teil des deutschen Reiches betrachtet wurde. Und es hatte auch keine direkten Kämpfe gegeben. Kaum ein Schuss war gefallen.
    Eine der Festungen, die sich nicht ergeben hatten, war Christianspris, eine große, sternförmige Schanze rund zehn Kilometer nördlich von Kiel auf der Westseite der Kieler Förde und auf dänischem Territorium gelegen. Die Festung hatte zwar nur eine kleine Besatzung von 50 bis 60 Mann, doch die Anlage war gut mit Artillerie bestückt und lag außerdem auf der Spitze einer Landzunge und war darüber hinaus von der Landseite schwer zu erreichen, da sie von sumpfigem Gelände umgeben war. Wahrscheinlich war es diese gute Lage, die den Befehlshaber von Christianspris, einen Obersten namens Axel Bropp, dazu veranlasste, kategorisch jede Aufforderung, sich zu ergeben, zurückzuweisen. Torstensson wollte das Ganze aber nicht in die Länge ziehen, und so ließ er in der Nacht auf den 19 . Dezember einen Angriff auf die Schanze ausführen. Eine Truppe zog über Land heran, während gleichzeitig eine andere an Bord einiger großer Schiffe ging, die man beschlagnahmt und mit Kanonen bestückt hatte. Die Boote segelten über die Förde, tauchten überraschend aus dem winterlichen Dunkel auf, und die Soldaten konnten auf der schwach befestigten Seeseite der Schanze an Land schwärmen. Erik und sein Hausvater fuhren von Kiel aus mit und beobachteten die Erstürmung.
    Was Erik sah, war entschieden dramatischer und schrecklicher als das zähe Ringen in Pommern. Es gibt eine Reihe zeitgenössischer bildlicher Darstellungen von Erstürmungen – Erik zeichnete mindestens eine selbst. Was wir auf ihnen sehen, ist ein zusammenhangloses Chaos von Menschen, die hin und her laufen, von Grölen, Rufen, Schüssen und Schreien, von Gesichtern, die grotesk verzerrt sind von Schmerz und Schrecken, von blitzendem Metall und Feuergarben, von erhobenen Waffen und fallenden Menschen. Etwas in dieser Art fand in der Nacht zum 19 . Dezember statt. In dem dichten Nachtdunkel wurden die dänischen Soldaten der Schanze von der überlegenen schwedischen Truppe schnell überwältigt. Vielleicht wollte Torstensson an ihnen ein Exempel statuieren, anderen zur Warnung und Abschreckung – er konnte kalt und rücksichtslos sein –, vielleicht war er der Meinung, die Dänen hätten durch ihre Weigerung, sich zu ergeben, gegen das vorgegebene Schema des Belagerungsrituals verstoßen. Auf jeden Fall wurden sie alle niedergemacht. Der Befehlshaber der Festung, Oberst Bropp, wurde gefangen genommen, und wahrscheinlich war er der einzige Däne, der bei dem Debakel mit dem Leben davonkam. Nachdem die Schweden eine überraschend große Beute einkassiert hatten, die unter anderem aus Artilleriegeschützen, Geld, militärischem Material und allerlei nützlichem Kriegsgerät bestand, tauften sie zufrieden die leichengefüllte Schanze in Christinapris um.
    Dänemark 1643
    Das Gerücht von dem herben Schicksal, das die große Schanze an der Kieler Förde erlitten hatte, verbreitete sich schnell. Einige Tage später, ausgerechnet am Heiligen Abend, «akkomodierte sich» die Festung Rendsburg, ohne dass die Schweden auch nur ihre Belagerungsartillerie vor die Mauern rollen mussten. Die Ereignisse vom 19 ., die also auf dänischem Boden stattfanden, überzeugten auch die Zweifler davon, dass wirklich Krieg war und dass es außerdem ein Krieg war, der auf die rohe und verwilderte Art geführt wurde, wie sie nunmehr unten in Deutschland gang und gäbe war. (Christian zahlte später mit gleicher Münze zurück. In einem Schreiben gab er Order, alle schwedischen Gefangenen unbesehen ihres Dienstrangs zu erschlagen, um nicht Unterhalt für sie bezahlen zu müssen und um den ausgehobenen Bauernsoldaten «die Lust, bei diesem Handwerk zu bleiben», auszutreiben.) Die Nachricht, dass die wilden Horden aus dem deutschen Krieg nun wirklich auf dem Weg waren, brachte

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