Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
unternahm Erik seine erste Reise nach Mitteldeutschland. Torstensson sollte seinen Posten als Befehlshaber des schwedischen Heeres verlassen, und vor seiner Heimreise hatte er eine Reihe hoher Beamter in schwedischem Dienst zu einem großen Kriegsrat zusammengerufen. Die Zusammenkunft sollte in Leipzig stattfinden, und einer der Einberufenen war Eriks Hausherr Rehnskiöld.
Erik und Rehnskiöld kamen auf ihrer Reise nach Süden an zwei Orten vorbei, die durch den Krieg traurige Berühmtheit erlangt hatten. Nach gut zwei Wochen kamen sie nach Magdeburg, das 1630 mit so brutaler Gründlichkeit geplündert worden war. Die Stadt war zwar noch von den Kaiserlichen besetzt, aber einige Regimenter schwedischer Reiterei hielten sie sorgfältig von der Umwelt abgesperrt. Es war Winter und keine Saison für kriegerische Unternehmungen, aber um die Stadt herum kam es doch zu einigen kleineren Gefechten. Am selben Tag, als Eriks Reisegesellschaft in einem Bogen um Magdeburg herum eskortiert wurde, unternahmen die Eingeschlossenen einen kleinen Ausfall, der aber zurückgeschlagen wurde – Erik dürfte in der Entfernung die Schüsse gehört haben. In diesen Teilen des Reichs herrschte seit einigen Jahren ein Zustand von Halbanarchie. Es war, wie schon beschrieben, gefährlich zu reisen, nicht nur, weil es vorkam, dass kaiserliche Korps zu Pferde auf Streifzügen tief ins Land eindrangen, sondern auch, weil die frostkalten Wälder voller Deserteure, Marodeure, Freibeuter, entwurzelter Bauern und Wegelagerer waren. Die Gruppe war deshalb von zeitweilig bis zu 500 waffenklirrenden Reitern umgeben (ein Indiz dafür, für wie risikoreich eine Reise in diesem Teil Deutschlands zu Beginn des Jahres 1646 gehalten wurde). Am 3 . Februar nahmen sie Quartier in dem Dorf Breitenfeld, das der Zufall und das sächsische Wegenetz zweimal in ein großes Schlachtfeld verwandelt hatten. Am folgenden Tag ritten sie in Leipzig ein.
Sie trafen einen kranken und verbitterten Torstensson an. Er hatte schon lange an seinem schweren Gelenkrheumatismus gelitten, und die Feldzüge der vergangenen Jahre hatte er über längere Phasen auf einer Trage liegend geleitet. Es war lange her, dass seine verkrümmten Hände die Zügel eines Pferdes hatten halten können, und alle seine Briefe wurden routinemäßig von seinem Schreiber unterzeichnet. Immer wieder hatte er um Beurlaubung von seinem Posten nachgesucht, aber die Gesuche waren von den Regierenden in Stockholm jedes Mal abgelehnt worden, weil sie keinen gleichwertigen Ersatz für ihn zu haben glaubten. Nun hatte Torstenssons Krankheit jedoch von den Gliedmaßen auf die Brust und den Kopf übergegriffen, und er konnte nur mit Anstrengung sprechen. Es war offensichtlich, dass er seinen Posten nicht mehr ausfüllen konnte.
Drei Personen kamen als Nachfolger Torstenssons in Frage. Die erste war Hans Christoffer von Königsmarck, der den Feldzug geführt hatte, als Krockows kleines Heer aus Pommern vertrieben wurde. Er war der beste Kavalleriegeneral der Schweden, kühn, schnell, listig und unternehmungslustig. Er führte seit einiger Zeit ein eigenes Korps in verschiedenen selbständigen Operationen und hatte gerade die Eroberung des Erzstifts Bremen geleitet. Außerdem hatte er sich dadurch unschätzbare Verdienste erworben, dass er immer wieder in scheinbar menschenleerem Land Verstärkungen und Unterhalt für die Hauptarmee aus dem Boden gestampft hatte. Dies war nur möglich, weil der Mann total skrupellos bis an die Grenze des Brutalen war – das Porträt zeigt auch eine wettergegerbte Landsknechtsphysiognomie mit schmaler Adlernase und kalten, tiefliegenden Augen. Er zögerte nie, sich bei diesen Unternehmungen selbst zu bereichern. Als er einmal gefragt wurde, warum er stets so gewalttätig vorgehe, soll er geantwortet haben, dass «jemand, der Gold und Silber machen will, mit glühenden Kohlen versehen sein muß». Er begann den Krieg als armer deutscher Edelmann und sollte ihn als vielfacher Millionär beenden. Das große Problem bei Königsmarck war jedoch, dass er eher ein umherjagender Kavallerist als ein denkender Stratege war und dass es außerdem sehr schwierig war, mit ihm zusammenzuarbeiten; empfindlich, halsstarrig, auffahrend und hochmütig, geriet er ständig in Streit mit verschiedenen Personen, und oft fiel es ihm schwer, Befehle entgegenzunehmen. Und derjenige, der führen sollte, musste nicht nur ein tüchtiger Krieger und Brandschatzer sein, er musste auch ein guter Diplomat und
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