Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
fähig sein, mit der komplizierten politischen Situation im deutschen Reich umzugehen. Und sicherheitshalber sollte er auch im schwedischen Reich geboren sein – Königsmarck war ja Deutscher und hatte seine Karriere zudem im kaiserlichen Dienst begonnen. Kandidat Nummer zwei, Arvid Wittenberg, war Finnländer und erfüllte wohl die letztere Forderung. Dieser bürgerliche, typische Karrieremilitär war Torstenssons engster Vertrauter, ein erfahrener Mann, der außerdem beim Offizierskorps der Armee großes Vertrauen genoss. Wittenberg gehörte aber zu den Kriegern, die mehr mutig als intelligent waren, und es hieß, ihm fehle der Überblick, den man für die Kriegsführung in Deutschland brauche. Der dritte Mann, der in Frage kam, war auch nicht gerade vollkommen. Es war Carl Gustav Wrangel, der Sieger von Fehmarn. Keiner zog sein militärisches Können in Zweifel, aber sein Alter warf viele Fragen auf. Er war erst 32 Jahre alt. Banér war zwar auch erst 38 und Torstensson sogar erst 37 gewesen, als sie zum Feldmarschall gemacht wurden – die Feldherren waren oft jung in dieser Zeit –, aber man meinte, Wrangel fehle aufgrund seiner Jahre die Reife und Autorität, um mit all den eigensinnigen Kriegsknechten des Heeres fertig zu werden. Trotzdem fiel die Wahl nach einem ausdrücklichen Vorschlag von Torstensson auf Wrangel als den wenn auch nicht besten, so doch auf jeden Fall am wenigsten schlechten der drei Kandidaten. Um sich gegen ein Versagen des jungen Wrangel ein wenig abzusichern, beschlossen die Regierenden in Stockholm jedoch, dass er zunächst seinen Befehl unter der Aufsicht Torstenssons führen solle.
Während des Kriegsrats in Leipzig, bei dem Erik als eine unbedeutende Gestalt hinter den Kulissen zugegen war, planten Torstensson und Wrangel zusammen mit Repräsentanten Frankreichs und Hessens die Feldzüge für das Jahr 1646 . Die Kampagne des Vorjahres, die so vielversprechend begann, hatte zwar nicht ganz den Erfolg gebracht, auf den alle gehofft hatten, aber die alliierten Befehlshaber wussten, dass der Krieg einen wichtigen Wendepunkt überschritten hatte, und nun saßen sie in kollegialem Einverständnis beisammen, reckten die Nasen in die Luft und witterten etwas, das ohne Zweifel ein Aroma von endgültigem Sieg hatte.
Man kann sagen, dass das Osmanische Reich im voraufgegangenen Frühjahr Wien davor bewahrt hatte, in schwedische Hände zu fallen. Alles hatte ja so vielversprechend ausgesehen. In der Nacht auf den 30 . März 1645 hatten die Kaiserlichen die Wolfsschanze bei Wien geräumt, die Brücke in Brand gesteckt und sich über den Fluss zurückgezogen. Nun brauchten die Schweden nur noch die Donau zu überqueren und auf die Stadt vorzurücken. In genau diesem Moment begann Torstensson zu zögern. Es sieht so aus, als habe er sowohl gegen seine Gewohnheit als auch gegen seine Natur die Nerven verloren. Die schwedische Armee war nach dem Winterfeldzug und der blutigen Schlacht bei Jankau geschwächt, und als ihr Befehlshaber über den Fluss zu den Vororten Wiens hinüberblickte, glaubte er, dass dieser Brocken eine Spur zu groß sei, als dass seine 16 000 Krieger ihn schlucken könnten. Deshalb beschloss er, den Angriff eine Weile aufzuschieben und auf die transsilvanische Armee zu warten. Verschiedenen Berichten zufolge konnte dies nicht allzu lange dauern.
Doch die Zeit verging. Und niemand kam. Und während die Frühlingswochen verrannen, sahen sich die Schweden gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Basis und den Unterhalt zu verbessern, was man zuvor als zweitrangig erachtet hatte – Wien konnte ja jeden Augenblick fallen, und dann würde der Krieg zu Ende sein. Das Heer zog durchs Land und brandschatzte Städte, Märkte und kirchliche Institutionen mit der gewohnten Rücksichtslosigkeit. Aus einem Benediktinerkloster wurden das Vieh und das Getreide geraubt, und mehrere Viehställe, zwei Mühlen und ein Sägewerk wurden in Ruinen verwandelt. Eine Kapelle für Kapuzinermönche wurde von einigen schwedischen Reitern in einen Stall umfunktioniert – dagegen schritt der religiöse Torstensson allerdings mit Nachdruck ein. Es war wie gewöhnlich schwierig, Proviant für das Heer zu beschaffen: Wein gab es genug, aber es fehlte an Brot. Torstensson ließ einen Teil seiner Truppen nach Norden ziehen, um die reiche Stadt Brünn einzunehmen, einen Verkehrsknotenpunkt in Mähren, der eine Gefahr im Rücken der Schweden und eine Bedrohung für ihre Verbindungen nach Sachsen und zur
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