Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
der Erde betrachten, wie zum Beispiel das Wissen über Dinosaurier und Eiszeiten, im 17 . Jahrhundert vollständig unbekannt war. Fossilien verschiedener vorgeschichtlicher Gewächse und Tiere waren natürlich seit langem bekannt, aber nur eine kleine Gruppe kühner Freidenker äußerte die Ansicht, dass sie Überreste wirklicher, lebender Organismen seien. Die meisten hielten diese Steine für seltsame mineralische Bildungen oder ganz einfach für einen
ludus naturae –
ein Spiel der Natur. Eindeutig urzeitliche Knochenfunde wurden zuweilen als Überreste unbekannter Tiere erklärt, die unbekannte Vorväter in grauer Vorzeit mit nach Hause gebracht hatten. In ihrer Mehrzahl nahmen die Menschen an, diese alten Dinosaurierknochen seien alles, was von dem in der Bibel genannten Geschlecht der Riesen übrig geblieben sei. Diese Knochen wurden als große Sehenswürdigkeiten behandelt und nicht selten in den Kirchen aufbewahrt. Fossilien waren übrigens nicht die einzigen Vorzeitfunde, die im 17 . Jahrhundert falsch gedeutet wurden. Die schön polierten Steinbeile, die heute in allen archäologischen Museen die Besucher langweilen, wurden in dieser Zeit nicht als Menschenwerk angesehen, als Überreste einer Steinzeit, die damals niemand kannte, sondern sie wurden «Donnerkeile» genannt und für Überreste von Blitzeinschlägen gehalten: Wenn der Blitz einschlug, drangen diese sonderbar geformten Gegenstände tief in die Erde ein, worauf sie langsam mit einer Geschwindigkeit von einem halben Meter pro Jahr wieder an die Oberfläche kamen (sie waren sehr begehrte Funde, denn man glaubte, sie böten Schutz gegen Feuer und Trolle).
War das Bild der vorgeschichtlichen Zeitalter bestenfalls verschwommen, verzerrt und vollständig missverstanden, so waren die Vorstellungen von der Geschichte und der weniger fernen Vergangenheit etwas mehr von Vernunft geprägt. Mit Hilfe der Bibel, der Kirchenväter und der antiken Autoren, die von allen Gelehrten bewundert wurden, hatte man sich seit langem eine Vorstellung von der Geschichte gebildet, die sich von Israeliten, Ägyptern und Babyloniern über Assyrer, Perser, Griechen und Römer und weiter bis ins 17 . Jahrhundert erstreckte, ein Bild, das in seinen Hauptzügen erstaunlich korrekt war. Im Lauf der Jahrhunderte traten im schwedischen Reich mehrere Persönlichkeiten hervor, die historische Werke verfassten, die als bahnbrechend bezeichnet werden müssen und in gewissem Maß noch heute Bestand haben. Ansätze zu späteren quellenkritischen Methoden sind zum Beispiel bei dem in Finnland gefangen gehaltenen Messenius zu finden, bei dem Juristen Johannes Loccenius und dem rechtskundigen Johan Stiernhöök, aber auch bei den noch heute lesenswerten Reichshistoriographen Chemnitz – einem Pommeraner, der 1642 von Axel Oxenstierna angestellt wurde, um die Teilnahme Schwedens am deutschen Krieg zu schildern – und dem später so bekannten Samuel von Pufendorf, mit dem Erik Jönsson später noch in Kontakt kommen sollte. Andere, wie Bureus, Verelius und Hadorph, erwarben sich wesentliche Verdienste durch die Sammlung und Inventarisierung wichtiger Quellen und Dokumente, und groß war die Zahl der Gelehrten, die durch großzügige Beiträge des Staates oder an der Geschichte interessierter Adliger dazu ermuntert wurden, die schwedischen Altertümer zu erforschen. Das Problem war nur, dass so vieles von dem, was in Schweden wie überall in Europa geschrieben und verbreitet wurde, überquoll von Mythen, wackeligen Konstruktionen – milde ausgedrückt – und sogar reinen Fälschungen. Der brillante Dichter, Wissenschaftler und Beamte Georg Stiernhielm schrieb missmutig in einem hellsichtigen Augenblick:
… alle Menschen in der Welt leben in Dunkel und Blindheit um ihren Ursprung und ihre Herkunft. Das Alte und Vorzeitliche, das sie zu wissen meinen, ist, wenn man hinsieht, nichts anderes als entweder dicker Nebel und Dunst oder eine helle Wolke, die sich zu Pferden, Wagen, Bergen, Schlössern, Riesen, Zwergen, Kronen, Zeptern formen, ohne Grund, ohne Wesen und Wahrheit.
Dies beruhte darauf, dass die Geschichtsforschung im 17 . Jahrhundert keine Wissenschaft im modernen Sinn war, sondern ein moralpädagogisches Genre. Die Aufgabe der Historiker war es, aus der Vergangenheit Beispiele zu sammeln, von denen die Gegenwart sich inspirieren lassen konnte, gute Fürsten zu verherrlichen, schlechte zu verspotten, Einsichten in den unergründlichen menschlichen Charakter zu vermitteln und
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