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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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praktische Gründe. Die künstliche Beleuchtung war lange von schlechter Qualität. Die Möglichkeiten, im 17 . Jahrhundert ein Haus zu erleuchten, waren im Großen und Ganzen die gleichen, die zur Anwendung kamen, um die
insulae
der antiken Römer zu erleuchten. Am Tag schien Licht durch Öffnungen im Dach oder durch kleine Fensteröffnungen. Gegen Abend griff man zu verschiedenen Formen offenen Feuers: Kaminfeuer, Teerhölzer – die den großen Vorteil hatten, dass man sie im Mund halten konnte und so die Hände für anderes frei hatte –, Fackeln und einfache Öllampen. Wir würden wohl dieses warme, goldfarbene Licht, das in den Häusern herrschte, mit Recht schön finden. Das gemeinsame Problem dieser Lichtquellen war nur, dass sie erstens unpraktisch, zweitens unzuverlässig und drittens schwach waren. Talg-oder Wachslichter waren nicht entschieden besser. Sie stellten eine akute Brandgefahr dar und erforderten ständige Aufsicht. Sie mussten regelmäßig gewartet und geputzt werden, damit sie nicht erloschen, und besonders die Talglichter entwickelten einen faulig riechenden Qualm, der in den Augen brannte. Zu allem Überfluss waren mehrere Dutzend Lichter nötig, um einen nicht allzu großen Raum einigermaßen zu erleuchten. (Gute Wachskerzen waren ein den höheren Ständen vorbehaltener teurer Luxus, was der Grund dafür war, dass eine reiche Innenbeleuchtung als prahlerische Verschwendung allererster Güte angesehen wurde.) Außerdem war die Beleuchtung, die man durch sie erhielt, kein Anlass zur Freude: Das Licht, das hundert brennende Dochte spenden, ist schwächer als das einer einzigen Glühbirne. Auf die Dauer strengte es die Augen an, in ihrem flackernden Schein zu lesen oder zu schreiben. (Aber niemand beklagte sich darüber, weil es als unvermeidlich galt, dass künstliches Licht schwach war.) Das Leben innerhalb der Häuser vollzog sich daher in einer Art ständigen Halbdunkels, in dem die Menschen von kleinen schimmernden Inseln von Licht in den dunklen Zimmern umgeben waren.
    All dies bestimmte in hohem Maß die Arbeitszeiten der Menschen und die gesamte Zeitauffassung, die fest verankert war im Rhythmus der Sonne und der Natur – die Länge der Stunden konnte beispielsweise mit den Jahreszeiten variieren. Ohne gutes Licht im Inneren war man gezwungen, einen großen Teil seines Lebens im Tageslicht im Freien zu verbringen. Viele Tätigkeiten, die wir heute als natürliche Beschäftigungen für drinnen ansehen, wie Nähen oder Schreiben, scheint man gern im Freien ausgeführt zu haben. Da man so abhängig war vom Sonnenlicht, ruhte mehr oder weniger alle Arbeit, wenn die Dunkelheit hereinbrach. Dies bedeutet, dass die Menschen im 17 . Jahrhundert offenbar auch bedeutend früher ins Bett gingen, als das heute der Fall ist, wo wir in glücklicher und arroganter Unabhängigkeit von dem natürlichen Rhythmus von Hell und Dunkel leben.
    Neben der Überwachung der Arbeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang sollte ein Kondukteur auch Pläne und Zeichnungen der befestigten Plätze des schwedischen Reiches anfertigen. Nicht selten musste er auch bereit sein, andere Tätigkeiten auszuführen, wie die großen Abriss-und Regulierungsarbeiten zu planen und zu überwachen, die zu dieser Zeit gang und gäbe waren. Als neu ernannter Kondukteur in Demmin musste Erik auch alle Zeichnungen und Entwürfe für den Inspekteur übernehmen sowie den Briefwechsel mit Mardefelts Untergebenen in Norddeutschland führen. Es gab reichlich Gelegenheit, über verschiedenen Plänen und Abbildungen zu brüten, aber das emsige Reisen ging weiter, und er erhielt auch eine mehr praktische Ausbildung im Festungsbau. Die Befestigungen von Demmin wurden gerade ausgebessert und erweitert, und Erik musste diese Arbeiten, die von einem besonderen Wallmeister und seinen Wallbauern durchgeführt wurden, beaufsichtigen. Er lernte schnell. Als der Sommer im August seinem Ende zuging, legte er seine erste Gesellenprüfung ab. Unter Aufsicht eines älteren Fortifikateurs musste Erik eine Schanze, die an der Recknitz gebaut werden sollte, vermessen und zeichnen.
    Das Zeichnen von Festungswerken war in hohem Maß eine Frage der Geometrie. Das Ideal war eine vollkommen ausgewogene Konstruktion, in der Winkel und Linien sich gemäß dem bereits oben erwähnten System der neuitalienischen Befestigungsbauweise [
trace italienne
] zu einem schönen und zusammenhängenden System von vorspringenden Bastionen (die aus Facen – den Wällen, von

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