Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
denen aus man das vorgelagerte Terrain beschießen konnte – und Flanken – den Wällen, von denen aus man das Terrain unmittelbar vor den benachbarten Befestigungswerken mit Kreuzfeuer bestreichen konnte – bestanden) und Kurtinen (den geraden Mauerstrecken zwischen den Bastionen) zusammenfügten. Beim Zeichnen einer Festung ging der Architekt stets von einem gedachten Mittelpunkt aus, von wo er sich dann mit Hilfe verschiedener geometrischer Systeme und Formeln vorarbeitete, sodass Punkt für Punkt sich allmählich zum Bild eines Ganzen vereinigten. (Geometrie spielte überhaupt eine wichtige Rolle im Denken der Zeit; von Stadtplänen bis zu Gärten war alles von einer Sehnsucht nach rechten Winkeln, nach der Exaktheit und Symmetrie geprägt, die auf dem militärischen Feld solche Triumphe gefeiert hatte. Einerseits spiegelte sich darin das Ausmaß der «Militarisierung» des Denkens der Herrschenden über die Jahre, was unter anderem in einer Besessenheit zu ordnen, zu organisieren und zurechtzurücken zum Ausdruck kam – dies als Mittel zur Erreichung von Stabilität und Ruhe in einer von Unsicherheit und Unruhe geprägten Zeit. Andererseits war sie eine Folge der beachtlichen Fortschritte in der Geometrie und Mathematik im 17 . Jahrhundert. Neben mehreren neuen Analyse-, Berechnungs-und Messmethoden wurden auch einige wichtige praktische Neuigkeiten eingeführt; um die Mitte des Jahrhunderts kamen die arabischen Ziffern in allgemeinen Gebrauch, und Simon Stevin – auch ein Fortifikateur – führte das Dezimalkomma ein, was zu immer höherer Genauigkeit in den Berechnungen führte, während John Napier den Rechenschieber erfand.) In der Regel arbeitete man zunächst mit Bleistift, und wenn alles richtig war, wurde das Ganze mit Tusche nachgezogen und laviert. (Eriks eigene Skizze von der Schanze bei Damgarten ist streng und funktional ohne irgendwelche Ausschmückungen, die Flüsse, Wege und Wälle mit hellgelber Aquarellfarbe laviert.) Es wurde auch zu dieser Zeit immer gebräuchlicher, dass die Fortifikateure maßstäbliche dreidimensionale Modelle aller Festungen anfertigen ließen, für die sie zuständig waren. Manchmal war dies notwendig, weil die Kartographie so ungenau war, dass man Probleme hatte, von unübersichtlichen Geländeabschnitten gute Zeichnungen anzufertigen. Oder es war nötig, weil manche höheren Machthaber Schwierigkeiten hatten, zweidimensionale Zeichnungen zu verstehen. (Höchstwahrscheinlich war dies ein Problem für die große Mehrheit der im 17 . Jahrhundert Lebenden; das Sehen war in hohem Maß gegenständlich, die Karten nahmen deshalb oft die Form von Bildern an, und als Bildleser verkrafteten die Menschen nicht allzu viele Abstraktionen.) Außerdem boten diese Modelle ausgezeichnetes Anschauungsmaterial bei der Ausbildung neuer Fortifikateure. Ein Modell der Schanze von Damgarten ist allerdings nicht erhalten.
Das Vermessen einer Festungsanlage war natürlich eine praktischere Arbeit als das Zeichnen. Zuerst wurden alle Bäume und alles Buschwerk am Ort beseitigt, dann stellte der Fortifikateur im Mittelpunkt der gedachten Anlage ein drehbares Sichtbrett auf einem Stab auf. Mit Hilfe dieses Sichtbretts und eines Kompasses visierte er eine Ecke der Befestigung an. Ein Helfer mit Messkette oder Messstab folgte der angegebenen Richtung, bis er den berechneten Abstand hatte, in dem die Ecke liegen sollte; dort schlug er einen Pflock in den Boden. Dann wiederholte sich die Prozedur mit dem nächsten Brechungspunkt und so weiter und so weiter, bis alle Winkelecken mit einem kleinen Pflock markiert waren. Zum Schluss wurden die Pflöcke mit Schnüren verbunden, die den Gesamtumriss der Festung markierten und zeigten, wo Facen, Flanken und Kurtinen verlaufen sollten. Dies klingt einfacher, als es eigentlich war, denn während dieser Arbeit musste der Vermesser zahlreiche Faktoren in Betracht ziehen. Es war darauf zu achten, dass die Neigung die richtige war, damit Regen-und Schmelzwasser in den Wallgraben ablaufen konnten und sich nicht irgendwo im Inneren der Anlage sammelten. Er musste die Befestigung auch so anlegen, dass
déblai
gleich
remblai
war, also dass die Menge des Aushubs für den Graben in etwa der Erdmenge entsprach, die für den Bau des Walls benötigt wurde. (Dies war vor allem aus Kostengründen wichtig: Das Heranschaffen von Erde konnte das ganze Unternehmen kostspielig machen.) Danach hieß es nur noch bauen.
Die einzige Unterbrechung in Eriks Tätigkeit als
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