Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
und Vorstellungen vom Wert zeitlicher Genauigkeit bekannt; so hatte man bereits um die Mitte des 14 . Jahrhunderts begonnen, die Stunde in 60 Minuten einzuteilen, und manche schwedische mittelalterliche Zunftordnungen enthielten auch genaue Angaben über die Länge des Arbeitstags. Doch spielten diese Vorstellungen im Alltagsleben vor dem 17 . Jahrhundert keine größere Rolle. Erst da begann man, die Zeit des Menschen in Stunden, Minuten und nach und nach auch Sekunden zu messen. Die Ursache lag zum Teil darin, dass die Uhren entscheidend verbessert wurden, aber vor allem veränderte sich die Gesellschaft in einer Art und Weise, dass die Frage der Zeit und der Beachtung der Zeit immer größere Bedeutung bekam. Manufakturen und andere Produktionsstätten großen Stils waren entstanden, in denen die Produktion zentralisiert war, was bedeutete, dass die Arbeiter ihre Arbeitszeiten aufeinander abstimmen mussten. Gleichzeitig waren die Besitzer in zunehmendem Maße bestrebt, ihre Angestellten und deren Arbeit zu kontrollieren. Bis zu dieser Epoche waren die Grenzen des Arbeitstages unklar gewesen: Wie viel oder wie wenig man arbeitete, hing teilweise von der Aufgabe ab, die einem gestellt war, und teilweise davon, wie viel Zeit man brauchte, um sie auszuführen. Unter Tagelöhnern und anderen gab es in dieser Epoche wenig Bemühungen um einen stetig wachsenden materiellen Wohlstand. Sie schafften und schufteten so viel, wie erforderlich war, um Geld für die einfachen Bedürfnisse des Lebens zu bekommen, danach taten sie ganz einfach nichts mehr. Und wenn die Löhne anstiegen, zogen die Menschen es in der Regel vor, weniger zu arbeiten, statt mehr zu kaufen. Gewöhnlich wechselten sich Phasen harter, intensiver Arbeit mit solchen von Lethargie und völligem Müßiggang ab. (Wahrscheinlich ist dies der natürliche Arbeitsrhythmus des Menschen; wenn Menschen selbst über ihre Zeit verfügen dürfen, läuft es fast immer darauf hinaus.) Im 17 . Jahrhundert arbeiteten die meisten noch immer ganz unabhängig von der Uhr, doch besonders in den verschiedenen kapitalistischen Inseln Europas hielt ein neues Zeitbewusstsein allmählich Einzug. Ein anderer Bereich, in dem die Uhr immer größere Bedeutung bekam, war eben die wachsende staatliche Bürokratie. Beamte und Werksschmiede waren zwei typische Kategorien von Menschen, die früh lernen mussten, bei der Arbeit die Uhr im Auge zu behalten. Und die Leute im Fortifikationsdienst gehörten zu denen, die im 17 . Jahrhundert diese Entwicklung weg von einer durch die Aufgabe bestimmten Arbeit hin zu einer durch die Zeit bestimmten Arbeit zu spüren bekamen. In der Fortifikationsverordnung war unter anderem Folgendes festgelegt:
Jeden Werktag sollen sowohl der Befehlshaber als auch die Gemeinen am Morgen bei Sonnenaufgang bei der Arbeit anwesend sein, und am Abend bei Sonnenuntergang von dort entlassen werden, doch sollen sie am Tag eine gewisse Anzahl von Stunden haben dürfen, um auszuruhen und Essen zu sich zu nehmen; nämlich im April und Mai drei Stunden, im Juni und Juli dreieinhalb Stunden, im August und September drei Stunden, doch zwei Stunden in allen übrigen Monaten, in denen eine Arbeit ansteht.
In Frankreich gehörten gerade die Festungsarbeiten zu den ersten Bereichen, in denen sich industrieähnliche Organisationsformen und Arbeitsmethoden durchsetzten. Die zivilen Arbeiter erhielten einen Leistungslohn, mussten sich einer militärischen Disziplin anpassen und wurden von berittenen Vorgesetzten streng überwacht. Die Arbeit wurde mit einem Glockensignal eingeläutet, und die Arbeitenden wurden danach am Verlassen des Arbeitsplatzes gehindert. Die Essenspause wurde mit Trommelwirbeln angezeigt, und das Ende des Arbeitstags ebenso. So sickerten Denkmuster aus dem sich ausweitenden militärischen Leben in das zivile Leben. Und dort haben sie sich seitdem gehalten.
Das oben angeführte Zitat aus der Fortifikationsverordnung ist interessant, weil es ein anderes wichtiges Faktum nennt, das die Arbeit der Menschen bestimmte: das Licht. Die Menschen im 17 . Jahrhundert standen regelmäßig mit der Sonne auf, was heißt, dass sie nicht selten zu Zeiten ihr Bett verließen, die uns schaudern machen: drei, vier, fünf Uhr morgens. Dies liegt daran, dass sich unsere Vorstellung von der Tageszeit nach der Uhr richtet. Für uns ist Morgen, wenn die Uhr es uns anzeigt, für sie war Morgen, wenn die Sonne aufging; wir folgen den Zeigern, sie folgten dem Licht. Das hat teilweise
Weitere Kostenlose Bücher