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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Pfalzgrafen nicht heiraten. Sie wollte überhaupt nicht heiraten, niemals. Dieser gelinde gesagt radikale Entschluss kann auf verschiedene Weise erklärt werden. Möglicherweise verlor sie, als ihre Liebe zu Karl Gustav erkaltete, auch ihr Interesse an der Ehe überhaupt, denn der Pfalzgraf war vielleicht der Einzige, mit dem sie sich verheiraten konnte, wenn alle gebotenen Rücksichten auf Politik und Familie bedacht wurden. Oder es war etwas anderes. Christina hat später von dem starken Widerwillen geschrieben, den sie stets gegen die Ehe gehegt habe, und dass sie nie daran gedacht habe, sich von irgendeinem Mann gebrauchen zu lassen, wie der Bauer seinen Acker gebraucht. Vielleicht wollte sie ganz einfach nicht heiraten, weil dies ihr Zügel angelegt und sie in völlige Abhängigkeit von einem Mann gebracht hätte. Vielleicht war es die physische Seite der Ehe, der Beischlaf mit einem Mann, der sie abschreckte; vielleicht war sie gereift und hatte eine früher verborgene sexuelle Neigung bei sich selbst entdeckt?
    Christinas Liebe zu Karl Gustav hatte sich indessen nicht in Hass oder etwas anderes verkehrt; sie empfand weiterhin großen Respekt vor ihm und behandelte ihn freundschaftlich. Sie wollte ihn nicht zum Mann haben, aber sie konnte sich ihn nach wie vor als ihren Thronfolger denken. Um Karl Gustavs Ansehen im Reich zu stärken – und wahrscheinlich auch, um seine Enttäuschung über das gebrochene Eheversprechen zu mildern –, wollte sie ihn zum neuen Befehlshaber über die Truppen in Deutschland ernennen. Da ein solch wichtiger, hoher Posten keinem Fünfundzwanzigjährigen geschenkt wurde, der zudem noch formell als ausländischer Fürst galt, versprach Christina dem Rat, dass sie ihn heiraten werde; es war selbstverständlich, dass er als zukünftiger König diesen Posten bekam. Das Versprechen war jedoch der reine Bluff, damit die zaudernden Ratsaristokraten der Ernennung zustimmen sollten. Am 15 . Juni 1648 , einen Monat bevor er als Generalissimus in Deutschland an Land ging, ließ Christina schließlich vor Karl Gustav die Maske fallen. Der Pfalzgraf hatte sie mit Beteuerungen überschüttet, die Ehe mit ihr nur aus Liebe und keinem anderen Grund zu suchen, und dass nichts, gar nichts anderes eine Rolle spiele; wenn sie ihn nicht haben wolle, werde er sich mit einem Stück Brot begnügen und Schweden für immer und ewig verlassen und dergleichen mehr. Christina wischte mit leichter Hand seine hysterische Romanprosa zur Seite, fand mit allem Recht, dies sei alles nur leeres Geschwätz, und konnte ihn sogleich mit dem Gedanken an den wartenden Thron besänftigen.
    Als Karl Gustav nach einer beschwerlichen Überfahrt am 16 . Juli 1648 in Wolgast an Land ging, folgte ihm die größte Truppenverstärkung, die Schweden seit den Tagen des seligen Gustav Adolfs hatte zusammenkratzen können. Die Leibgarde, das Kalmar-und das Jämtlandregiment, das Dalregiment und das Savolaks-und Nyslottregiment, alles in allem 2850 Infanteristen, waren mitgekommen. Sie wurden von 2000 Kavalleristen begleitet: der Västgöta-Reiterei, Smålands Kavallerie und dem Karelischen Reiterregiment. Außerdem umfasste der «Sukkurs» 2234 frisch Ausgehobene, die Verbände verstärken sollten, die sich bereits auf dem Kriegsschauplatz befanden, 66 Artilleristen mit Geschützen, große Mengen Munition, Petarden, Handgranaten und anderes mehr. Diese Verstärkungen taten not, denn in Deutschland bahnte sich ein Entscheidungskampf an.
    Während Karl Gustav darauf wartete, dass sich alle Pferde wie üblich von der Überfahrt erholten und alle Truppenkolonnen von ihren verschiedenen Landungsplätzen am Sammelplatz bei Demmin einfanden, nahm man die Gelegenheit wahr, das Haus Demmin in die Luft zu sprengen. Haus Demmin war eine freistehende kleine Festung (in Aussehen und Form einem gigantischen Schachturm ähnlich), einen knappen halben Kilometer südöstlich der Stadtmauer von Demmin einsam auf einem Feld an der Peene gelegen. Der Turm war groß und mächtig, mit fast fünf Meter dicken Mauern, und wurde für den Fall, dass er in die falschen Hände fiel, als eine Bedrohung für die Stadt angesehen. Erik Jönsson hatte sich auch die verschiedenen Techniken des Mineurs anzueignen versucht, und dies war eine ausgezeichnete Gelegenheit, die neu erworbenen Kenntnisse unter Beweis zu stellen und vor der hohen Obrigkeit aufzutrumpfen. Elf Tonnen Pulver wurden in die Kammern des Turms geladen, und unter den Augen einer neugierigen Gruppe, die

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