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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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verbreitet, die von Mund zu Mund gingen oder von umherziehenden Gauklern und Bänkelsängern vorgetragen wurden. Manchmal konnten der Bevölkerung Brocken von offizieller oder offiziöser Information von der Kanzel oder von einem königlichen Ausrufer in der Stadt zur Kenntnis gebracht werden. Das war für gewöhnlich alles. Dies begann sich jedoch gerade im 17 . Jahrhundert, das sozusagen der Schauplatz einer Art von Revolution des Nachrichtenwesens war, allmählich zu verändern. Früher war das gedruckte Wort eine Angelegenheit für Geistliche und Gelehrte gewesen. Während dieser ersten Hälfte des Jahrhunderts entwickelte sich jedoch das Druckereigewerbe zu einer kleineren Industrie, die Produkte zu erzeugen begann, die so billig waren, dass sie auch die sogenannten einfachen Leute erreichen konnten. Die meisten Druckereien waren zwar noch in den Universitätsstädten und in den großen Städten zu finden, doch ihre Zahl vermehrte sich ständig – so gab es in Paris in den vierziger Jahren 70 Drucker, die nicht weniger als 180 Pressen betrieben. In Schweden gab es um die Mitte des Jahrhunderts zehn Druckereien – und ihre Produkte fanden immer größere Verbreitung. Die Kriege und Revolten in Europa führten zu einem dramatischen Anstieg der Publikation von Kleindrucken wie Flugblättern, Gedichten, Liedern, Karikaturen, Propaganda, Satiren, Schmähschriften und Pamphleten. Allein zwischen 1640 und 1661 wurden in England 25 000 Traktate und Flugblätter gedruckt; in Frankreich, wo in ebendiesem Jahr ein großer Aufruhr ausbrach, wurden in vier Jahren 8000 Schriften publiziert, die alle Kardinal Mazarin angriffen, dessen Machtpolitik, Intrigen und protziges, neureiches Gehabe immer mehr Menschen in Frankreich empörten. («Halb Paris druckt und verkauft Pamphlete, und die andere Hälfte schreibt sie», hat irgendjemand gesagt.) All dies führte dazu, dass zum ersten Mal in der Geschichte so etwas entstand wie eine informierte öffentliche Meinung; man gebrauchte das Wort
fama
, das man mit «die allgemeine Meinung» übersetzen kann. Diese allgemeine Meinung konnte in gewissen großen politischen und theologischen Fragen durchaus einen Einfluss ausüben. Kein Herrscher konnte sie mehr ignorieren.
    In dieser Flut von Druckerzeugnissen gab es auch mehrere reine Nachrichtenmagazine. Zeitungsverkäufer und Zeitungshändler wurden bald zum normalen Bestandteil des Straßenhandels in allen großen Städten. Die ersten richtigen Zeitungen kamen 1609 heraus. Es waren die
Relation oder Zeitung
in Augsburg und
Relation:
Aller Fürnemmen und gedenckwürdigen Historien
…, die in Straßburg erschien. Viele andere waren gefolgt. Meistens bestanden sie nur aus wenigen Blättern in kleinem Oktav-oder Quartformat, die mit kurzgefassten Nachrichten von nah und fern angefüllt waren. Die erste richtige Wochenzeitung war die
Gazette de France
, die seit 1631 herauskam. Es wurden rasch mehr. Ein Holländer konnte in den vierziger Jahren zwischen sechs verschiedenen
corantos
wählen, die sämtlich in-und ausländische Nachrichten enthielten und von denen einige mit Artikeln prahlen konnten, die von speziell ausgesandten Kriegskorrespondenten verfasst waren.
    Die erste schwedische Zeitung – die ebenfalls wöchentlich erschien und im Jahresabonnement 2 Taler und 8 Öre kostete – war die
Ordinari Post Tijdender
, die seit 1645 verbreitet wurde. Sie war ein staatliches Organ, das vom Postmeister in Stockholm betreut wurde. Er hatte den Auftrag, von den Postverwaltern im Reich und auch von Kontakten in verschiedenen ausländischen Großstädten Material zu sammeln, und er war es, der danach das eingegangene Material zu kleinen Notizen zusammenschnitt. (Es war, so muss man sagen, eine bescheidene Organisation, denn zum gleichen Zeitpunkt gab es deutsche Zeitungen, deren Redaktion aus zehn oder mehr festangestellten Personen bestand.)
    Ohne Zweifel war der Durst nach Neuigkeiten groß. Besonders Menschen, die fern der großen Städte auf dem Land lebten, befanden sich zumeist in einer informationsmäßigen Vorhölle, was sich durch das Gefühl der Unsicherheit, das in dieser Zeit herrschte, nur noch verschlimmerte. Diese Menschen griffen auch nach allem, was ihnen in die Hände fiel. An manchen Orten, zum Beispiel in Falun, gingen gedruckte Zeitungen wie
Ordinari Post Tijdender
schnell von Hand zu Hand, doch die Neugier war immer noch so groß, dass man sich gezwungen sah, öffentlich aus ihnen vorzulesen. Die Machthaber spürten

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