Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
ernsthaft beteiligt. Ihr gesamter Verlust war nicht allzu groß: sechs Kanonen, sechs Standarten, 353 Wagen, 700 Pferde und etwa 2200 Mann gingen im Mai verloren. (Wrangel und Turenne machten auch keinen Versuch, den auf den bewaldeten und mit Dickicht bestandenen Hügeln um Zusmarshausen errungenen Erfolg auszubauen. Während der Nacht konnten sich die Gegner in den Schutz der Stadt Augsburg zurückziehen.) Der eigentliche Verlust war jedoch allem Anschein nach psychologischer Natur. Die Kampfmoral in den kaiserlichen und bayerischen Streitkräften war bereits vor der Schlacht schlecht gewesen, danach brach sie mehr oder weniger zusammen. Verzagtheit griff auch unter den höheren Offizieren des Heers um sich, und nach einer ziemlich lahmen Verteidigung der Lechlinie wälzte sich die Armee weiter nach Osten, in zunehmender Auflösung begriffen, da immer mehr Scharen demoralisierter Soldaten die Verbände und Fahnen verließen und stattdessen entlang des Marschwegs Proviant aufzutreiben suchten. (Der Kampfgeist wurde auch nicht spürbar besser dadurch, dass der enttäuschte Kurfürst Maximilian in dieser Lage den bayerischen Befehlshaber Gronsfeld einkerkern und wegen Verrats vor Gericht stellen ließ.)
Gegen Ende Mai fiel die schwedisch-französische Armee in das fast unverteidigte Bayern ein. Unter den Herren des Landes und der Bevölkerung breitete sich Entsetzen aus. Der Kurfürst und sein gesamter Hof verließen Hals über Kopf und per Boot München. Wer von seinen Untertanen dazu in der Lage war, folgte seinem Beispiel, nahm seine Habe und lief in die Wälder oder flüchtete zu einem der befestigten Plätze. Und Schweden und Franzosen folgten ihnen, plünderten, brannten nieder und schlugen zu. Wrangel forderte vom Kurfürsten die unglaubliche Brandschatzsumme von zwei Millionen Talern, um die Verwüstungen einzustellen, aber die Verhandlungen gingen langsam voran, und währenddessen brannten Städte, Schlösser und Dörfer in Bayern. Wrangel selbst hatte zu der Zerstörung eine recht leichtfertige Einstellung. In einem Brief schrieb er:
Es ist höchst bedauerlich, daß man eifriger ist, das eine oder andere Gebäude zu retten, als Blutvergießen zu verhindern, es wird als weniger schlimm angesehen, wenn ein paar hundert Soldaten sich gegenseitig im Laufe eines Tages das Genick brechen, als daß ein Haus aus Stein und Holz, das nur zum Luxus erbaut worden ist, durch den Krieg zerstört wird.
Zur gleichen Zeit schickte Wrangel Königsmarck und 1500 Reiter – darunter die vier bernhardinischen Regimenter, die weiterhin ein ständiger Unruheherd waren – mit einem besonderen Auftrag los. Sie ritten in nordöstlicher Richtung nach Böhmen. Dort sollten sie einen unerhörten Coup ausführen, der die kaiserliche Partei in ihren Grundfesten erschüttern sollte.
Ungefähr zu dieser Zeit war es Erik Jönssons Vorgesetztem Mardefelt gelungen, eine Ernennung zum Fortifikateur bei der Feldarmee an Erik vorbeizulenken und stattdessen seinem eigenen Schwager Luther Wilhelm Theophili zuzuschanzen.
Theophili trat jedoch seinen Dienst nie an. Als Karl Gustavs Truppen von Demmin aufbrachen, war Mardefelts Schwager nicht reisefertig. Er reiste etwas später zusammen mit Karl Gustavs Gepäck und seinem Hofmeister Cometko. In Sachsen, bei einer kleinen Stadt mit Namen Calbe an der Saale, gut 30 Kilometer südlich von Magdeburg, wurde die Reisegesellschaft von einer jener umherstreifenden feindlichen Abteilungen angegriffen, die alle Transporte unsicher und alle Reisen zu einem Albtraum machten. (Gerade diese wurde von einem Mann mit dem Spitznamen «der blinde Valentin» angeführt.)
Ein vages Bild von dem, was Theophili und seiner Gesellschaft zustieß, können wir uns machen, wenn wir eine Radierung des ausgezeichneten Kupferstechers Jacques Callot betrachten. Callot, ein Augenzeuge des Krieges, hat in seiner Serie von Radierungen «Das Elend des Krieges» auch einen Überfall auf Reisende dargestellt – ein Szene, die sich viele tausend Mal in diesen schweren Jahren wiederholt haben muss. Einige Reisende sind auf einer Waldlichtung von einer Bande Soldaten angehalten worden, die mit großen, fliegenden Hüten und erhobenen Waffen heranstürmen. Ein Mann auf einem sich aufbäumenden Pferd wird von Soldaten umringt und mit einem aus kurzer Entfernung auf seinen Kopf abgefeuerten rauchenden Pistolenschuss niedergestreckt. Ein anderer ist bereits vom Pferd gefallen und liegt ohne Kopfbedeckung auf der Erde und zappelt,
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