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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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schwirrten und alle abwarteten, ob Prag fallen würde. Einen Tag vor dem Auslaufen der Frist, am 25 . September 1648 , erklärten die kaiserlichen Gesandten, dass sie den Chiffrierschlüssel wiedergefunden und den Brief gelesen hätten. Der Kaiser hatte den Frieden akzeptiert.
    Gegen Mittag am Samstag des 14 . Oktober rollten fünf prachtvoll ausgestattete Karossen, jede von sechs Pferden gezogen, durch Münster. In ihnen fuhren die schwedischen Gesandten Johan Adler Salvius und Johan Oxenstierna mit ihren Subalternen und ihrem Hofstaat. Sie hielten vor dem Haus, in dem der kaiserliche Gesandte Johann Maximilian von Lamberg residierte. Dort erwartete sie die kaiserliche Delegation, und in ihrer Anwesenheit wurde der Friedensvertrag vorgelesen, unterzeichnet und von den Schweden mit ihrem Siegel versehen. Dann fuhren sie alle zu Johan Oxenstiernas Quartier, wo die Kaiserlichen die gleiche Prozedur wiederholten. Anschließend wurde der Vertrag zum Bischofspalast zurückgebracht, wo zahlreiche Repräsentanten der verschiedenen deutschen Fürsten, Stände und Städte versammelt waren – sie hatten dort seit neun Uhr am Morgen gewartet. Die zeremoniöse Unterzeichnung dauerte nicht weniger als acht Stunden, bis gegen neun Uhr am Abend, als Kanonen einen donnernden dreifachen Salut schossen, um zu verkünden, dass alles klar war. Es war Frieden.
    Die Neuigkeit verbreitete sich überall in Deutschland.
    Als sie im Maintal eintraf, entzündeten die Menschen große Freudenfeuer. Als Wrangel in Bayern die Nachricht erhielt, begann er zu fluchen und warf wütend seinen Generalshut auf den Boden. Als die Nachricht Prag erreichte, waren seit der Unterzeichnung in Münster zwei Wochen vergangen. Da war die Kaiserstadt seit Juli unter schwedischer Belagerung, als die Schweden einige der schweren Geschütze aus den gut ausgestatteten Zeughäusern der Kleinseite auf den Burgberg Hradschin gerollt und begonnen hatten, über den Fluss in den jenseitigen Teil der Stadt zu schießen.
Nulla dies sine fulminibus
heißt es in einer zeitgenössischen Chronik – «Nicht ein Tag ohne Feuer». Königsmarck hatte einen triumphierenden Brief an Wrangel geschrieben, in dem er versprach, «diesen Ort nicht zu verlassen, bevor die Offiziere ihren letzten Blutstropfen vergossen und die Stadt in einen Friedhof verwandelt haben». (Während seine Kanoniere ein anhaltendes Bombardement einleiteten, das 250 Häuser zerstören und Hunderte von Menschenleben kosten sollte, richtete sich Königsmarck im Lobkowitz’schen Palais ein und begann dort, in nahezu fürstlichem Stil Hof zu halten. Unter anderem verlangte er, dass die bereits schwer verheerte ländliche Umgebung seine Küche versorgen solle, nicht allein mit den üblichen Lebensmitteln wie Mehl und Fleisch, sondern auch mit kulinarischen Kostbarkeiten wie Ingwer, Safran, Zimt, Muskat und Zitronen.) Die Bevölkerung im östlichen Teil Prags war trotz großen Mangels an Waffen, Munition und geübten Männern zur Verteidigung der Stadt zusammengeströmt. Eine Studentenlegion von 745 mit Hellebarden, Piken, Musketen, Keulen und Handgranaten bewaffneten jungen Männern unter der Führung eines Jesuitenprofessors sperrte die Karlsbrücke; Brauereiknechte, Handwerkergesellen und Kneipenpersonal bildeten eigene kleine Freikompanien; der Adel schickte 400 Freiwillige, die Geistlichkeit 200 , und die Juden der Stadt bildeten eine improvisierte Feuerwehr, die Feuer löschte und später auch Minen unschädlich machte. Viele Kämpfe wurden um die Karlsbrücke ausgetragen, die so stabil gebaut war, dass es den Verteidigern nicht gelungen war, sie zu zerstören: Angriffe mit blanken Waffen, Scharfschützenduelle, Artilleriebombardements und der Austausch grober Beschimpfungen lösten dort einander ab.
    Am 25 . September traf der Pfalzgraf Karl Gustav mit 6000 Mann bei Prag ein. Am Tag darauf wurde die östliche Seite der Stadt eingeschlossen, und eine förmliche Belagerung setzte ein. Natürlich wusste Karl Gustav, dass der Friede täglich zu erwarten war, doch das trieb ihn nur noch an, den Angriff zu beschleunigen. Er schrieb nach Hause, er wisse, dass die Eroberung Prags ihm große Ehre einbringen werde – doch gleichzeitig hoffte er zweifellos, große Beute machen zu können. Die Belagerung wurde nach bewährtem Brauch mit dem Ausheben von Laufgräben, Artilleriebeschuss und Minensprengungen geführt, aber sie war doch außergewöhnlich gewaltsam, weil Karl Gustav sie mit großer Energie betrieb, während

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