Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
die großen Vögel in langen Reihen die ganze Nacht, aber als die Sonne aufging, flogen sie auf und verschwanden in einer Wolke starker weißer Flügel nach Norden. Die Soldaten wussten gleich, was dies bedeutete. Bald würden sie dem Beispiel der Störche folgen, denn der Krieg, der 30 Jahre, vier Monate und 24 Tage gedauert hatte, war endlich zu Ende gegangen.
4 . Was sollen wir tun, wenn jetzt Frieden ist?
Erik kehrt nach Demmin zurück – Ein neuer Krieg? – Meutereien und Unzufriedenheit – Die Abdankung der Truppen – Pläne für Polen – Eine Zeit des Aufruhrs – Erik liest Bücher – Barclays Argenis – Die Naturauffassung der Barockzeit – Die Sehnsucht nach Ordnung – Feste und Verhandlungen in Nürnberg – Das große Friedensbankett – Karl Gustav wird nach Hause gerufen
Als der Sarg fertig war, legte Erik den Körper Theophilis hinein und begab sich auf die Heimreise. Sie führte zunächst per Boot die Elbe hinab. In einer kleinen Stadt mit Namen Schönbeck konnte Erik eine lokale Sehenswürdigkeit betrachten, die er im Tagebuch neugierig beschreibt als «einen Menschen, der keinen der fünf Sinne hatte, weder sehen, hören, riechen, sprechen und dergleichen konnte, eine Frauensperson, so geboren und vierzehn Jahre alt, der man Suppe oder anderes Essen einflößte». Dem Tagebuch zufolge war es eine «über die Maßen lustige und bequeme Reise», an deren Ende er Anfang November 1648 mit dem in schwarzes Tuch gehüllten Sarg auf einem Wagen nach Demmin hineinrollte. So endete der Dreißigjährige Krieg für Erik.
Es ist interessant, dass in Erik Jönssons Tagebuch keine Spur einer eigenen Reaktion auf den Frieden zu finden, ja dass das Kriegsende nicht einmal erwähnt ist; es zeigt, wie unbemerkt große, allgemein bekannte Daten und sogenannte Epochengrenzen am Leben einfacher Menschen vorübergehen konnten. Gerade im Fall des Westfälischen Friedens ist dies keineswegs verwunderlich. Friedensschlüsse hatte es vorher gegeben, zum Beispiel in Prag 1635 , aber sie hatten stets zu Enttäuschungen geführt. Mehrmals waren die Ereignisse auch auf wichtige Wendepunkte zugelaufen, an denen es so ausgesehen hatte, als nähme der Krieg ein Ende, aber er war gegen alle Erwartung wieder aufgeflammt, wie beispielsweise 1630 , als Gustav Adolf und sein Heer auf dem Schauplatz erschienen waren und ein erlöschendes Feuer neu entfacht hatten. Auch im Oktober 1648 gab es mehrere Beteiligte, die am liebsten keinen Frieden sehen wollten. Der Pfalzgraf Karl Gustav betrachtete bekümmert die große Zerstörung, die der Krieg im ganzen Reich angerichtet hatte, aber er war offensichtlich auch enttäuscht darüber, dass er keine Gelegenheit erhalten hatte, eigene Triumphe zu feiern. Die böhmischen Exulanten waren enttäuscht, und selbst Mazarin sagte, er habe gehofft, dass der Krieg noch einige Zeit dauern werde, und vielleicht hätten die Franzosen weitergekämpft, wenn nicht eine große Revolte in der Heimat – die sogenannte Fronde – ihre Aufmerksamkeit beansprucht und an ihren Kräften gezehrt hätte. Philipp IV . von Spanien forderte den Kaiser auf, den eingegangenen Vertrag zu brechen, und Papst Innozenz X. – höchst erbost über alle den Protestanten gemachten Zugeständnisse – weigerte sich brüsk, das Abkommen zu unterzeichnen. Vielmehr feuerte er eine wütende Bulle ab, in der er den Friedensvertrag als «null und nichtig, verflucht und ohne Einfluß auf oder Resultat für die Vergangenheit, die Gegenwart oder die Zukunft» verurteilte. Und dann war da noch die Frage, was die Männer in den Heeren sagen würden, wenn sie erfuhren, dass sie nicht mehr gebraucht wurden. Es war nicht erstaunlich, dass die Menschen in Deutschland mit dem Feiern noch ein wenig warten wollten und dass die Freude häufig mit Unruhe vermischt war. Als der Krieg 1648 endete, geschah dies auch nicht mit einem großen und dramatischen, für alle hörbaren Knall, sondern er verendete gleichsam mit einem langsamen Röcheln. Mancherorts kam es noch Wochen nach der Unterzeichnung und Besiegelung des Traktats zu Kämpfen und Plünderungen.
Die Räumung der besetzten Territorien und die Abdankung vollzogen sich ebenso mit schleppender Langsamkeit. Mehrere eroberte Orte wurden von den Schweden als Sicherheit für die 5 Millionen Taler, die der Traktat ihnen zusicherte, besetzt gehalten. Außerdem wurde die Demobilisierung der Truppen als Druckmittel benutzt, doch auch die Abdankung selbst war schwierig und erforderte
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