Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Dem Postmeister Paar wurden 18 000 Taler abgenommen und so weiter. Man sah schwedische Soldaten Münzen nicht Stück für Stück abmessen, sondern Hut für Hut. Königsmarck selbst konnte fünf Wagen mit Gold und Silber füllen.
Die königliche Burg auf dem Hradschin war der schwedischen Krone allein vorbehalten. Die Schatzkammer war verschlossen, und der Schatzmeister stellte sich allen Fragen gegenüber verständnislos, doch nachdem er mit Folter bedroht worden war, fand er rasch die Schlüssel. Die Türen wurden aufgestoßen zu der größten Beute überhaupt. Den pulvergeschwärzten Schweden bot sich bei ihrem Eintritt ein atemberaubender Anblick. Sie waren in die «Kunst-und Wunderkammer» des ehemaligen Kaisers Rudolf II . gekommen, ein Kuriositätenkabinett der Art, wie sie viele hochgestellte Persönlichkeiten im 17 . Jahrhundert bis zum Bersten mit allerlei schönen, absonderlichen und phantasieanregenden Dingen zu füllen liebten, die aus der Natur wie aus der Kultur genommen waren – ein Ausdruck der Verwunderung der Epoche über die in der Welt herrschende schwindelerregende Vielfalt, die man entdeckt hatte. Die Wunderkammer Rudolfs II . hatte indessen wirklich majestätische Dimensionen; da waren tausend und abertausend Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen, Waffen, Kunsthandwerk, Gold-und Silbergefäße, Porzellan, geschliffene und geschnittene Edelsteine, Kristallarbeiten, Münzen und Medaillen, Uhren, Instrumente, riesige Silberkandelaber, türkisbesetzte Sättel und Brennspiegel; es gab auch reine Kuriositäten wie Mumien, «einen Handschuh aus Menschenhaut» sowie die Kinnlade und eine Hand einer Sirene. Manches wurde von den Schweden am Ort gestohlen, aber der Hauptteil wurde in Kisten verpackt und nach und nach in Richtung Stockholm verfrachtet (eine ungeduldige und neugierige Königin Christina war anwesend, als die unermessliche Beute ausgepackt wurde). Unter den Dingen, die nach Schweden gebracht wurden, waren 69 Bronzefiguren, 26 Gegenstände aus Bernstein, 24 aus Korallen, 660 Schmuckschälchen aus Achat, 174 Fayencen, 403 indianische Kuriositäten, 16 wertvolle Uhren, 185 Edelsteinarbeiten, 317 mathematische Instrumente, ganze Kisten mit ungeschliffenen Diamanten, mehrere tausend Medaillen und Schaumünzen und rund 500 Gemälde. Allein die geraubten Gemälde waren von nahezu unschätzbarem Wert. Darunter befanden sich Werke von Meistern wie Michelangelo, Leonardo da Vinci, Raffael, Tizian, Tintoretto, Veronese, Dürer, Bosch, Grimmer und Brueghel – viele von ihnen hängen heute in schwedischen Museen. Zu dieser Beute kamen noch riesige Bücherschätze. Die schwedischen Befehlshaber draußen im Feld hatten mehr oder weniger stehenden Befehl aus Stockholm, jede Gelegenheit wahrzunehmen, die sich ihnen bot, die schwedischen Universitäts-und Gymnasienbibliotheken zu bereichern, und in Prag gab es mehrere schöne Buchsammlungen; aus der Bibliothek des Eggenberg-Palais wurden 30 mit Büchern gefüllte Kisten für den Weitertransport nach Schweden geschleppt. Zu dem wertvollsten literarischen Diebesgut gehörten
Gigas librorum
, die riesige sogenannte Teufelsbibel aus dem 13 . Jahrhundert – heute in der Königlichen Bibliothek in Stockholm – und der
Codex argenteus
, die berühmte gotische Bibelhandschrift aus dem frühen 6 . Jahrhundert – heute in der Universitätsbibliothek in Uppsala. Das reiche Strahovkloster wurde von einem finnischen Regiment durchsucht, und die Feldgeistlichen des Verbandes gingen durch die Bibliothek und suchten sich die schönsten Bände heraus. Die geraubten Buchschätze wären noch größer gewesen, wenn es nicht dem Abt eines anderen Klosters gelungen wäre, den Mann, der dorthin geschickt worden war, um die schöne Sammlung der Mönche von über 10 000 Bänden durchzukämmen, zu bestechen.
Die schwedischen Truppen beschlagnahmten fast alles von Wert. Sie brachen sogar in den Tiergarten des Kaisers ein und fanden dort zu ihrer Freude einen alten zerzausten Löwen. Er wurde nach Stockholm verfrachtet und dort später in der sogenannten Löwengrube auf der Südseite des Schlosses untergebracht. (Bei der gleichen Gelegenheit wurde auch ein lebendiger Vogel Strauß an die Königin in Stockholm geschickt, ein persönliches Geschenk von Carl Gustav Wrangel, der das Tier bei einer Brandschatzung in Bayern bekommen hatte.) Der Gesamtwert all dessen, was Königsmarck und seine Truppen in Prag raubten, ist schwer zu schätzen. Zeitgenössische Berechnungen sprechen von
Weitere Kostenlose Bücher