Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
zugleich die Verteidiger – weitgehend also bewaffnete Zivilisten – sich als ungewöhnlich standhaft erwiesen. Die ganze Stadt bebte von dem heftigen Kanonenbeschuss; rauchende Granaten hagelten in die engen Gassen und detonierten in Wolken von Rauch und Splittern, und große Stücke der Stadtmauer wurden von Schwärmen brummender Geschosse zu Schotter zermahlen. Hinter den zerfallenden Mauern bauten die energischen Verteidiger jedoch rasch ein System von Holzpalisaden und Brustwehren auf und wiesen jedes Angebot eines Akkords ohne Zögern zurück. Am Nachmittag des 3 . Oktober rückte die schwedische Leibgarde zum Sturm auf eine der Breschen bei dem sogenannten Galgentor vor. Wir wissen von Bildern ungefähr, wie dies aussah. Zuerst kommen die Sturmkolonnen, noch in Deckung, langsam vorrückend, eine dichte Masse von Hüten und Musketen und Armen, die am Schluss nur noch vorwärtskriecht. Dann erfolgt der Sturm über Schotterhaufen und Mauerreste, hinein in das Durcheinander von Palisaden und Laufgräben und fortgeworfenen Faschinen und zerborstenen Schanzkörben. Jetzt folgen Rauchwolken, Knalle und Handgranaten, die durch die Luft wirbeln; Menschen, die sich in alle Richtungen bewegen – ein Teil kriecht, ein Teil läuft –, kleine Gruppen, die sich im Feuer vorarbeiten. Verstärkungen rücken im Schutz einer Kaponniere heran. Und ständig neue schwellende Garben von Rauch und Feuer, das aus Schusswaffen sprüht. Granaten, die detonieren, Menschen, die brennen, Menschen, die in Stücke gesprengt werden: hier ein Kopf ohne Körper, dort ein Körper ohne Kopf.
Der Sturm war erfolgreich, und alle Verteidiger an dem angegriffenen Punkt wurden entweder getötet oder in die Flucht getrieben. Während der Nacht führten Prags Verteidiger eine Serie heftiger Gegenangriffe aus. Immer wieder schlichen sich Leute durch das dichte Dunkel heran und überschütteten die Soldaten der Leibgarde mit Handgranaten, und am Morgen des 4 . stellten die völlig zermürbten Schweden fest, dass sie keine andere Wahl hatten, als sich zurückzuziehen. Die Belagerung ging weiter, nahm aber immer mehr den Charakter eines reinen Grabenkriegs an. Am gleichen Tag, als in Münster der Friede unterzeichnet wurde, also am 14 . Oktober, gelang es den Belagerten, einen hohen Holzturm in Brand zu stecken, den die Schweden gebaut hatten, wobei dreißig Schweden verbrannten. Schon am 19 . Oktober erhielt Karl Gustav die Mitteilung, dass Frieden geschlossen worden war, doch er brach die Kämpfe nicht ab, sondern behielt die Neuigkeit für sich und drohte mit einer allgemeinen Erstürmung, wenn die Verteidiger nicht sogleich aufgäben. Er hatte allerdings keine Pläne für ihre Durchführung. Am 27 . Oktober traf ein Kurier mit der offiziellen Bestätigung ein, dass tatsächlich Frieden geschlossen war. Da war es nicht mehr möglich weiterzumachen.
Die Belagerung von Prag 1648 . Schwedische Soldaten greifen über die zerschossenen Mauern an, werden aber mit Handgranaten empfangen. Eine kleine Bresche ist von einem Sturmhindernis, einem sogenannten spanischen Reiter, versperrt, und im Schutz einiger Schanzkörbe ist eine Kanone herangeschleppt worden. Die Faschinen im Vordergrund sind die Abdeckung einer Kaponniere, die die Schweden benutzen, um Truppen bis zum Punkt, wo der Einbruch erfolgen soll, heranzuführen.
Die Neuigkeit verbreitete sich in Prag mit Windeseile. Am Nachmittag strömten die Menschen zu den Klängen der Kirchenglocken, die läuteten und läuteten, hinaus auf die zerschossenen Mauern. Eine zeitgenössische Quelle berichtet:
Hoch und Niedrig, Alt und Jung, Männer und Frauen, Christen und Juden betrachteten ehrfürchtig Gottes großes Werk und halfen dabei, das Werk des Feindes zu zerstören. Einige steckten Holzgestelle in Brand, andere schaufelten Laufgräben zu; manche machten die Wälle dem Erdboden gleich, andere sammelten zerstörte Geräte aus Holz und Eisen zusammen, andere betrachteten halbverbrannte Leichen von Feinden, die hier und da lagen, besonders auf den Mauern am Galgentor; andere zählten die Holzkreuze, die Gräber markierten; andere untersuchten die Schäden in den Weingärten auf den Hügeln und die unterirdischen Gänge.
Bei der Festung Olmütz in Mähren konnten, wie es hieß, die schwedischen Soldaten eines Abends bei Sonnenuntergang beobachten, wie Scharen von Störchen in die Stadt geflogen kamen und sich auf dem Dach des Rathauses, auf den Kirchen und allen höheren Gebäuden niederließen. Da saßen
Weitere Kostenlose Bücher
Zehn Mal Fantastische Weihnachten. Zehn Online Lesen
von
Sandra Regnier
,
Teresa Sporrer
,
Jennifer Wolf
,
Cathy McAllister
,
Natalie Luca
,
Jennifer Jäger
,
Melanie Neupauer
,
Katjana May
,
Mara Lang
,
Lars Schütz
,
Pia Trzcinska