Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
auch zahlenmäßig so schwach, dass der Stand offenbar einen bewaffneten Konflikt vermeiden wollte, und er war gleichzeitig so beeindruckt von der Stärke der Nichtadligen, dass man für politische Kompromisse zugänglich war. Sowohl der deutsche als auch der dänische Krieg waren mit der denkbar geringsten Marge geführt und gewonnen worden. Die fast ununterbrochene finanzielle Notlage des schwedischen Staates – dann und wann durchsetzt mit militärischen, diplomatischen oder politischen Krisen – hatte die schwedischen Machthaber zu einem großzügigen Maß von Anpassung bei der Behandlung von Land und Volk gezwungen. Schwedische Bauern konnten sich außerdem einer gewissen lokalen Selbstbestimmung rühmen – die die Großbauern unter anderem dazu ausnutzen konnten, die Verteilung der Lasten zum eigenen Vorteil zu steuern –, durften immer vor Gericht ziehen und gegen einen Adligen klagen und begründete Hoffnung hegen, ihr Recht zu bekommen. Darüber hinaus reisten staatliche Kontrollkommissionen unter der Führung von Ratsherren dann und wann aufs Land, um in direkten Begegnungen mit Beamten, Stadtbewohnern und Bauern verschiedene Klagen zu erörtern. Wenn der Zorn allzu schwer in der Luft lag, zögerten die Männer aus Stockholm selten, einen lokalen niederen Beamten zu maßregeln oder sogar einen besonders bösartigen Vogt köpfen zu lassen. Die Opferung eines Sündenbocks war ein probates Mittel in der häufig sehr fortgeschrittenen Machttechnologie des 17 . Jahrhunderts. Dies war auch deswegen möglich, weil man im einfachen Volk überall in Europa verschiedene Missstände gern den Randgruppen wie Hexen, Juden und Zigeunern oder bösen Ratgebern, die den guten Fürsten getäuscht hatten, in die Schuhe schob. Sie waren es oft, die leiden mussten, wenn der Zorn unter den geplagten Bauern auf dem Lande oder den Besitzlosen in den Städten überkochte. Selten ging die Kritik bis ganz nach oben.
Die Unruhe unter den kleinen Leuten in Schweden war also gedämpft, doch keineswegs aus der Welt geschafft. Im Februar 1653 brach in Närke ein offener Aufruhr aus. Aufgebotsstäbe wurden durchs Land gereicht, und rund 300 Personen bewaffneten sich und wählten sich einen eigenen «König», während eine Magd die «Königin» sein sollte in dem «Bauernreich», das bald kommen sollte – dies zeigt, dass die Aufrührer eine alternative Ordnung neben der bestehenden errichten wollten. Eine Adlige, die durch dieses Gebiet gereist war, schrieb entsetzt an ihren Sohn und berichtete, dass der Mann, der die Landbevölkerung der Gegend auf dem Reichstag zu vertreten pflegte, ein Bauer mit einem langen roten Bart, ihren Leuten im Rausch erzählt habe,
was die Bauern im Sinn hätten, sie wollten den ganzen Adel umbringen. Weshalb ich Dich, mein Sohn, bitte, um des Kreuzes willen, das Christus erduldet hat, nicht hinunterzuziehen … Ich weiß nicht, wie ich hinaufkommen soll, denn es heißt, in Småland seien sie genauso wahnsinnig.
Die Aufrührer suchten auch Kontakt zu Bauern in anderen Teilen Schwedens, doch ohne Erfolg. Die Großbauern weigerten sich mitzumachen, und diejenigen, die sich dennoch den Reihen der Aufständischen anschlossen, waren mit der Androhung von Waffengewalt dazu gezwungen worden. Angeführt von einem früheren Soldaten zogen die Aufständischen planlos kreuz und quer durchs Land, doch ohne die Unterstützung der Mehrzahl der Bauern wurden sie eine leichte Beute für die von der Krone entsandten Truppen. Zwei der Anführer wurden verraten. Einige Beteiligte, wie Anders Mårtensson in Holmen und Henrik Mattson in Gryten, wurden auf der Stelle getötet, während man den «König» der Aufstandsbewegung und ihren militärischen Befehlshaber nach Stockholm brachte, wo beide Anfang April hingerichtet wurden. Dem «König» wurde eine glühende Krone aus Eisen auf den Kopf gepresst, anschließend wurde er mit der Stachelkeule gerädert, die das Zeichen seiner Würde gewesen war und auch der Revolte ihren Namen gab: Morgenstern. Es ist bezeichnend, dass fast alle, die an der Morgensternrevolte teilnahmen, Häusler und Waldfinnen waren, die ihr Dasein am Rand der Gesellschaft fristeten, und dass die bedeutendste Schicht der Landbevölkerung, die Großbauern, durch Abwesenheit glänzte und in manchen Fällen sogar gegen die Aufständischen agierte. Auch wenn der Reichstag 1650 zu wenigen greifbaren Erfolgen für den Bauernstand geführt hatte, hatte er ihnen doch offenbar das Gefühl vermittelt, dass der
Weitere Kostenlose Bücher