Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Weg zur Gerechtigkeit, der über die Mühen der Reichstage und die Tische der Gerichte führte, noch immer offenstand, dass mehr dabei zu gewinnen war, den Morgenstern ruhen zu lassen, als ihn zu schwingen.
3 . Einen Grafenhut gewinnen
Über die Bedeutung der Feste – Über die Essgewohnheiten – Erik nimmt an einem Bankett in Nienburg teil – Erik wird Geldeintreiber – Nach Frankfurt am Main – Erik bildet sich weiter – Erik trifft die Familie Merian – Erik sammelt Kunst – Erik versucht, ein Weltmann zu werden – Le galant homme – Über Kavalierstouren – Erik nimmt an Ringrennen teil – Über Zeitvertreib: Karten, Spiele und Tänze – Ballspiele – Feine und unfeine Spiele
Während Schweden von Hungersnot und Aufruhr geschüttelt wurde, befand sich Erik Jönsson in Deutschland. Unter anderem war er ein weiteres Mal mit Karl Gustav und seinem großen Gefolge zusammengetroffen, die sich gegen Ende des Sommers 1650 in gemächlichem Tempo auf der Reise nach Stockholm und zum Reichstag befanden. Ihr nächstes Reiseziel war Nienburg, wo der Herzog von Braunschweig ein großes Bankett zu Ehren des Pfalzgrafen abhielt, und Erik begleitete sie. Dank einer «Rekommendation» Mardefelts an Lorenz van der Linde, Karl Gustavs schürzenjagenden Freund, bekam Erik die Möglichkeit, auch an der erlesenen Tafel Platz zu nehmen. Dies war sicher ein kleiner persönlicher Triumph für den jungen Erik Jönsson.
Feste hatten eine große Bedeutung in der Gesellschaft des 17 . Jahrhunderts. Die Arbeit nahm in dieser Epoche noch nicht so viel Raum ein wie heute und hatte auch nicht den großen Identifikationswert, den sie für uns hat. Feste – und auch Spiele – waren von weit größerer Bedeutung im sozialen Leben eines Menschen; sie waren eins der wichtigsten Mittel, um eine Gruppe zusammenzuschweißen, neue Bande zu knüpfen und gesellschaftlichen Umgang zu pflegen. Wer es sich leisten konnte, gab deshalb enorme Summen für Gastmahle aus, die in ihrem Überfluss die Genusssucht und Freude am Luxus in diesem Jahrhundert spiegeln. Man ließ die Esstische unter einer förmlichen Flut von Gerichten und Servierschüsseln verschwinden. Riesige Platten mit Braten wurden aufgetischt und nach einiger Zeit wieder hinausgeschleppt, unberührt; sonderbar geformtes Backwerk oder ausgestopfte Schwäne segelten durch die Luft heran; gigantische Pyramiden aus Früchten wurden unter größten Schwierigkeiten auf die Tische gehoben oder havarierten bereits mit großem Tumult in der Türöffnung – alles zu den Klängen von Geigen, Oboen und Trompeten. Das Essen wurde entsprechend der Servierideologie, die man
à la française
nannte, in Gängen aufgetragen. Jeder Gang bestand aus mehreren ziemlich gleichartigen Gerichten, die gleichzeitig serviert wurden, in der Art eines modernen Buffets: zuerst ein Gang mit Fischgerichten, dann Pasteten, denen Geflügel und Braten folgten, und so weiter. Jeder Gang konnte bis zu 30 oder 40 verschiedene Gerichte umfassen, und wenn eine solche gastronomische Gezeitenwelle sich in die Schlünde der Versammelten ergossen hatte, folgte eine kurze Pause, worauf die nächste Welle in einer bunten Wolke von Servierern und Mundschenken über die Tische schwappte. Ein Beispiel für ein derartiges Menü begegnet uns in einem zeitgenössischen schwedischen Theaterstück:
Essen bestelle in bester Manier
40 bis 50 Gerichte dir.
Wild sollst du bestellen frisch,
Reh und Hirsch muß auf den Tisch,
Elche, Rentier’ und Hasen auch,
soviel es geht, so ist’s der Brauch.
Ich vergaß Schafe, Ochsen und Kälber,
sie rettet nichts, du weißt es selber.
Auch Vogelsorten allerhand,
die man zu essen pflegt hierzuland:
Tauben, Birk-, Auer-und Haselhuhn,
Wildenten und Schwäne soll’n gut dir tun;
Kleinvögel, Buchfink und Stieglitz zart,
Brachvögel und Stare, so hat’s seine Art.
Auch zahme Vögel nicht zu vergessen,
Gänse und Hühner, soviel du kannst essen.
Kauf dir auch Kapaun’ schön fette,
Fasane, Enten und Puten nette.
Auch Fische sollst du nicht lassen liegen,
kauf die frischsten und schönsten, die zu kriegen.
Karpfen, Lachse, Aal und Plötze,
an Wels, Hecht, Kaulquapp’ und Barsch dich ergötze.
Frischer Dorsch, frischer Hering und Flundern,
Heilbutt und Weißling sollen mir munden,
Brassen, Zander, Stör und Felchen,
und andres, darin ich pfleg’ zu schwelgen.
Eine Festmahlzeit dieses Kalibers konnte zuweilen 150 bis 200 verschiedene Gerichte umfassen und war ein wahrhaftes
Weitere Kostenlose Bücher