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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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im Volk gärenden Unruhe die nichtadligen Reichstagsmitglieder immer selbstsicherer und unbeugsamer in ihren Forderungen machten.
    In ganz Schweden hatten sich die Bauern in diesem Sommer geweigert, die Tagewerke für ihre Herren abzuleisten, und deren Äcker unbestellt gelassen. Fronbauern in Uppland hatten außerdem ihren Gutsherren die Fuhrdienste und die Bewirtung verweigert, auf die diese Anspruch hatten. Das Gerücht besagte auch, dass aufrührerische Parolen unter den Bauern die Runde machten, und einige ihrer Reichstagsrepräsentanten erhielten mahnende Briefe von zu Hause. Mitte August sah es danach aus, als stünde die Explosion kurz bevor. Das Schlimmste, das in dieser gespannten Situation geschehen konnte, schien nämlich einzutreten: Der August war regnerisch, und es gab Anzeichen dafür, dass auch die Ernte dieses Jahres missraten würde.
    Schwerbestückte Kriegsschiffe wurden von ihren bisherigen Ankerplätzen in den Strömmen [im Zentrum von Stockholm in der Nähe des Schlosses; A. d. Ü.] verlegt. Der Adel war nicht nur in Verlegenheit und bedrängt, viele Adlige wurden jetzt geradezu von Entsetzen gepackt. Besonders die hohen Herren im Rat vermieden es nach Möglichkeit, aufs Land zu reisen. Das vernichtende Urteil der Nichtadligen über die Politik der vergangenen Jahre war auch ein vernichtendes Urteil über den großen Architekten dieser Politik, Axel Oxenstierna. Der Reichskanzler, der inzwischen an Alterserscheinungen und Krämpfen litt, wurde immer trübsinniger und mutloser und redete niedergeschlagen davon, die Politik zu verlassen und sich aufs Land zurückzuziehen. Doch nicht alle Mitglieder des Standes waren von Oxenstiernas finsterem Defätismus befallen. Viele Bauern wurden von Adligen bedroht, die erklärten, nach Beendigung des Reichstags mit ihnen abrechnen zu wollen. Edelleute meinten, die kürzlich in England erfolgte Revolution sei vom Klerus angezettelt worden, und wenn man im eigenen Reich eine ähnliche Entwicklung vermeiden wolle, müsse man sich die schwedische Geistlichkeit vornehmen, «die Schädlinge ausmustern und das Schwert über ihre Köpfe gehen lassen». Einige meinten, Nils Nilsson Silenius, einer der Sprecher der Bürgerlichen, sollte gerädert werden.
    Wie immer, wenn die Gemüter erregt waren und große Entscheidungen bevorstanden, häuften sich Visionen und Vorzeichen. Jemand hatte die Vision, dass Norrmalm brenne, andere hatten zwei Armeen gesehen, die am Sommerhimmel schwebten. Und im Haus des Reichsrats Bengt Skytte zeigte sich ein großes Gespenst,
    welches die Tapeten von den Wänden hat gerissen und Kisten und anderes auf den Kopf gestellet, und nachdem dies verrichtet, bat, ausgelassen zu werden, und danach befragt, wer es sei, erklärte, es sei der Teufel.
    Jetzt, da alles auf des Messers Schneide stand und es nur darum ging, wer den ersten Stein werfen oder den ersten Schuss abfeuern würde, und die Sommerwärme von ständigen Regenfällen vertrieben wurde, kam unerwartet die Wendung.
    Es war nicht ungewöhnlich im 17 . Jahrhundert, dass politische Allianzen zwischen Klassen und Gruppen geschlossen wurden, die sich sonst recht fernstanden. Die Bauern und das niedere Bürgertum und das Proletariat in den Städten waren mächtige Bundesgenossen, zumindest solange sie gesteuert werden konnten. Ein kleines Beispiel: Während des großen Aufruhrs, der 1640 in Katalonien ausbrach, hatten viele katalanische Standespersonen mit den Volksrebellen konspiriert und sie in ihren gewaltsamen Angriffen auf die Spanier bestärkt. Nach einiger Zeit jedoch verlor die katalanische Oberklasse die Kontrolle über die Bewegung, die sie ursprünglich für ihre eigenen Zwecke benutzt hatte. Daraufhin brach ein reiner Klassenkrieg aus, besonders in Barcelona, wo die Massen, die vorher Spanier gelyncht hatten, später über ihre eigenen Guts-und Hausherren herfielen.
    Angesichts der gespannten Lage gegen Ende August wurde Königin Christina von wachsender Sorge ergriffen. Der breite Angriff der nichtadligen Stände auf den Adel hatte ja unter anderem deshalb einen derartigen Erfolg, weil sie die Ersteren ermuntert und direkt unterstützt hatte, was viele Adlige lähmte. Natürlich wollte Christina nicht, dass es zu Aufruhr und Bürgerkrieg kam, und sie begann, die Nichtadligen, die sie bis dahin angetrieben hatte, zurückzuhalten. Am 21 . August sagte sie vor einem Ausschuss der Bauern, was die Reduktion des Landes in adliger Hand betreffe, so habe sie den Adligen Brief und

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