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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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(besonders in dieser teuren Jahreszeit) gegen Recht und Billigkeit und gegen deren Vermögen ihre Bauern zu traktieren und zu [unter]drücken»; die Bürger durften sehen, dass gewisse anstoßerregende Formulierungen in den Privilegien des Adels – in denen ein Nichtadliger «ungebürtig»
[vanbördig]
genannt wurde – mit einigen wohlmeinenden Phrasen übertüncht wurden, und ihre Anführer erhielten gute Posten, die fern von der Hauptstadt des Reiches lagen.
    Gegen 5 Uhr am 28 . September hielt Karl Gustav seinen Einzug in Stockholm. In seiner Begleitung war ein Teil der anderen namhaften Krieger des großen Krieges, unter anderem Königsmarck. Zweieinhalb Kilometer vor der Stadt wurden er und seine Gesellschaft vom Rat, der in Kutschen fuhr, und dem Adel, der zu Pferde saß, in Empfang genommen. Karl Gustav kletterte aus seiner eigenen tuchbespannten Kutsche und stieg in die Axel Oxenstiernas ein – ein kleines Zeichen, dass die alte Feindschaft zwischen ihnen zu schwinden begann. Am Zolltor von Södermalm erwarteten die Geistlichkeit und die vornehmsten Bürger die lange Prozession von 48 Wagen. Die Läden der Stadt waren geschlossen wie an einem Feiertag, und festlich gekleidete Frauen standen in den Fenstern, unter denen man vorbeizog, die Menschen riefen hurra, und vom Schloss und den Kriegsschiffen auf dem Strömmen wurde Salve auf Salve abgefeuert, sodass «der Pulverdampf wie ein dicker Nebel über der Stadt lag». Am 9 . Oktober ernannte der Reichstag Karl Gustav zum Erbfürsten, und am 20 . Oktober wurde Christina unter großen Feierlichkeiten gekrönt. Sie hatte alle ihre Ziele erreicht. Sie besaß die Krone und eine fast uneingeschränkte Macht, und zugleich war die lästige Thronfolgefrage endlich gelöst.
    Zu ihrer Krönung wurde auf dem Norrmalmstorg ein großer Triumphbogen mit drei mächtigen Gewölbebogen errichtet. Er war nach dem Vorbild des römischen Konstantinbogens von Jean de la Vallée entworfen worden und mit schönen Friesen und Reihen von Statuen bekrönt. Er sah aus wie aus Stein gehauen, doch wenn man näher trat, sah man, dass er aus Holz und bemaltem Papier gemacht war. Etwas anderes hatte man sich nicht leisten können, und der Triumphbogen wurde bald unansehnlich von Regen und Wind. Es war ein Monument, das zu der neuen schwedischen Großmachtstellung passte.
    Der Reichstag endete in einem scheinbar heiteren Gewimmel von Banketten und stundenlangen Feuerwerken, Volksgedränge, Besäufnissen und Straßenlärm – allein nach einer außergewöhnlich gründlich durchfeierten Nacht, in der Wein aus Springbrunnen auf Straßen und Plätzen sprudelte, wurden in der Stadt zehn Personen tot aufgefunden –, Tierhatzen, Maskeraden und aufwendigen Umzügen und Festen. (Großen Ärger gab es zwischenzeitlich wegen eines Rangstreits zwischen den Ratsherren und den aus Deutschland angereisten hohen Militärs mit Königsmarck an der Spitze, die nach allen ihren kriegerischen Erfolgen höchst selbstbewusst und aufgeblasen waren. Sie weigerten sich strikt, hinter den Karossen des Staatsrats zu fahren. Sie wollten als Erste fahren. Jemand schlug daraufhin vor, dass sie in den Wagen der Ratsherren mitfahren sollten, allerdings mit dem Rücken in Fahrtrichtung, was gewissermaßen bedeutete, dass sie vor den Erstgenannten saßen.) Die Unruhe im Land war noch immer groß. Manche Adlige wagten noch nicht, ihre Landgüter zu besuchen, und im Rat saß der Schonenbezwinger Gustav Horn und erklärte, er «wünsche, er sei 1000 Kilometer weit weg», während ein finsterer Axel Oxenstierna in derselben Debatte äußerte: «Ferrum [Waffen], das ist das einzige Consilium [Rat].» Es gab auch manche, die glaubten, dass die Bauern draußen im Land sich gegen ihre eigenen Repräsentanten auf dem Reichstag wenden würden, wenn diese mit so offensichtlich leeren Händen zurückkehrten. Dies geschah jedoch nicht. Die raffinierten Manipulationen der Königin und die kleinen, aber geschickt dosierten Zugeständnisse hatten zusammen mit einer unerwartet guten Ernte die revolutionäre Lage, die im Spätsommer geherrscht hatte, entschärft. Entscheidend war auch, dass die nichtadligen Männer, die gegen die Herrschaft des Adels Sturm gelaufen waren, selbst Haus und Hofherren waren, deren nicht daran gelegen war, das System aus den Angeln zu heben, sondern die es nur zum eigenen Vorteil umformen wollten – sie wollten den Ball übernehmen und selbst damit spielen, nicht aber ihn platzen lassen. Der schwedische Adel war

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