Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
Vom Netzwerk:
Feuerwerk unterschiedlicher Aromen und Geschmacksnuancen, bei denen salzig und süß, sauer und herb abwechselten.
    So sah es aus, wenn die Oberklasse ihre großen, kurz, orgiastischen Festmahle abhielt. Manche, wie zum Beispiel der essfreudige Karl Gustav, pflegten auch an normalen Tagen prächtig zu tafeln. Zu dieser Zeit wurden auf seinem öländischen Gut täglich zwei große Mahlzeiten verzehrt, von denen jede 24 verschiedene Gerichte umfasste und die mit etwa einer Flasche Wein pro Person und Mahlzeit heruntergespült wurden – der Pfalzgraf stand in dem Ruf, kein zimperlicher Trinker zu sein, und sein Schloss verfügte über eine Weinreserve von nicht weniger als 16 743 Litern. Das Küchenpersonal musste sich mit zehn Gerichten pro Tag zufriedengeben, was auch nicht übel war. Es war allerdings nur die allerhöchste Clique, die in diesem Stil leben konnte, denn ansonsten bestand ein bedeutender Unterschied zwischen Alltagskost und Festessen – und dies galt sowohl für Bauern als auch für Adlige. An normalen Tagen war es eine Selbstverständlichkeit, dass man nicht verschwenderisch aß, sondern alles nutzte, das essbar war. Auch die nicht der Aristokratie angehörenden Edelleute nahmen oft einfache Kost zu sich: Einer von Christinas Hofleuten, der junge Johan Ekeblad, aß zeitweilig ziemlich einfache Gerichte wie Kohl und Dickmilch, wilde Beeren oder frisch gefangene Krebse. In den breiten Volksschichten war die Ernährung oft ebenso eintönig wie fade. Man aß Suppe, Brei, Grütze, Erbsen, Kohl, Rüben, vergorene Milch, stark gesalzene Butter, Waldbeeren und natürlich Fisch, Mengen von Fisch, getrocknet, geräuchert oder gesalzen. (Frisches Essen war überhaupt recht ungewöhnlich.) Trockenes, dunkles Brot stellte einen anderen wesentlichen Teil der Nahrung dar: Es wurde vielleicht jeden zweiten Monat gebacken, aus Roggen oder Gerste, und war im besten Fall mit Würze oder Fenchel abgeschmeckt – helles, weiches Brot wurde wie Obst und frisches Fleisch als Luxusartikel betrachtet, der vor allem für Herrschaften gedacht war. Dazu tranken alle Bier, auch die Kinder, und dies nicht selten in rauen Mengen.
    Der große kulinarische Klassenunterschied zwischen Hoch und Niedrig war absolut, was Mengen und Rohwaren betraf, aber relativ, was den Geschmack betraf. In dieser Zeit begann nämlich der Adel in Europa, eine Reihe volkstümlicher Gebräuche anzunehmen, wie zum Beispiel das Braten in Butter und die Verwendung verschiedener einheimischer Beeren und Pilze in der Küche. In den Jahrhunderten davor hatte vor allem die Oberschicht reichliche Mengen orientalischer Gewürze bei der Essenszubereitung verwendet. Dies hing nicht nur damit zusammen, dass man den schlechten Geschmack überdecken musste, den die Lebensmittel aufgrund des Mangels an kühlen Aufbewahrungsorten leicht annahmen: Gewürze waren auch ein kostspieliger Luxus, mit dem man prahlte – zeitweilig wurde der Pfeffer per Korn verkauft –, und besonders populär waren horrend teure Dinge wie Safran, der außerdem dem Gericht eine klare und starke Farbe gab. Auch im 17 . Jahrhundert liebte man gefärbtes Essen, aber diese Sitte kam allmählich wieder ab. Stattdessen begann man, besonders draußen auf dem Kontinent, zu betonen, wie wichtig es sei, den natürlichen Eigengeschmack des Essens zu verstärken. Im Zuge dieser neuen Mode begannen die Köche der höheren Stände, «volkstümliche» Kräuter und Gewürze wie Knoblauch, Basilikum, Thymian, Schnittlauch und Estragon zu benutzen, über die man früher, weil sie als vulgär galten, die Nase gerümpft hatte. Um diesem Ideal von «Natürlichkeit» zu entsprechen, kochten sie nun die verschiedenen Ingredienzien für sich und servierten das Fleisch ohne Soße. Dass sich der Geschmack in diese Richtung veränderte, erkennt man auch daran, dass von nun an allzu krasse Mischungen von Süßem und Salzigem vermieden und Saures immer weniger populär wurde.
    Auch die Art,
wie
man aß, veränderte sich im Laufe des 17 . Jahrhunderts. In vielen Bereichen war eine Entwicklung zu zivilisierteren und verfeinerten Gewohnheiten zu beobachten, und dies wurde besonders deutlich an den feineren Speisetafeln. Im Mittelalter hatten die Menschen das Essen mit den Händen aus den Schüsseln gegriffen, Messer und Löffel mit ihrem Tischnachbarn geteilt, die Suppe aus gemeinsamen Schalen geschlürft und aus ein und demselben Becher getrunken, wenn dieser um den Tisch ging. Diese ungezwungene Nähe zu anderen Menschen

Weitere Kostenlose Bücher