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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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von verschiedenen pommerschen Orten gemacht hatte. Matthäus Merian nahm diesen Beitrag dankbar entgegen (und versprach, den Namen Erik Jönsson auf den fertigen Bildern zu erwähnen). Fünf von Eriks 21 Zeichnungen wurden später als Vorlage für Gravuren in der 1652 herausgegebenen
Topographia Pomeraniae
verwendet. Damit begann eine Zusammenarbeit zwischen den beiden, die Erik gute Möglichkeiten bot, sein Zeichentalent zu entwickeln. Und wenn er nicht selbst zeichnete, half er den Merians bei verschiedenen Projekten. Unter anderem warb er Subskribenten für ihre Werke und beschaffte Bildvorlagen und Texte.
    Dass Eriks lebhaftes künstlerisches Interesse weit über die schnöden Anforderungen der Befestigungskunst hinausging, zeigt sich an seinen großen Sammlungen grafischer Blätter aus dieser Zeit. Im 17 . Jahrhundert hatte der Kupferstich seine technische Perfektion erreicht und den Holzstich als Methode der Bildreproduktion verdrängt. Diese grafischen Blätter waren recht billig, was es einer Person mit geringen Mitteln wie Erik ermöglichte, in diesen Jahren eine hübsche kleine Sammlung anzulegen. In Frankfurt hatte er bis 1653 eine Kollektion zusammenbekommen, die 288 Nummern zählte, während er später im gleichen Jahr in Stralsund noch einmal 88 Nummern deponierte. Unter diesen Blättern waren einige der hervorragendsten Begabungen der Zeit und der Kunstgeschichte vertreten. Rembrandt war unter anderem mit 20 religiösen Motiven, 19 kleinen Landschaften, 17 Porträts sowie Nr. 66 , «Nackte Frau im Bade», vertreten; von Merians Lehrer Rubens gab es über 50 Nummern, die meisten davon mit religiösen Motiven, aber auch dort eine kleine badende Schönheit; weiter fanden sich 25 Porträts von Tizian sowie Albrecht Dürers berühmte Serie von Holzschnitten über das Leben der Jungfrau Maria; weiterhin Blätter von so bekannten Namen wie Holbein, van Dyck, Golzius und dem unübertroffenen Callot. Die Sammlung zeugt von einem entwickelten künstlerischen Geschmack, zugleich aber macht sie wahrscheinlich, dass Eriks zeichnerische Ambitionen inzwischen weit über das für einen Fortifikateur der Krone übliche Maß hinausgingen.
    Neben dem Zeichnen und den Übungen in Geometrie, Perspektivenlehre und Fortifikation trieb Erik auch noch andere Studien. Als elternloser Bürgersohn aus Stockholm hatte er eine Bildung, die man bestenfalls als elementar bezeichnen kann. Er wusste offensichtlich, was nötig war, um in dieser Welt nach oben zu kommen, und dass Fleiß, ein guter Kopf und reichliche Spezialkenntnisse allein nicht ausreichten. Etwas anderes war erforderlich, nämlich Verfeinerung. Aufsteiger wie Erik Jönsson mussten die ganze Zeit einen etwas ungleichen Wettbewerb mit adligen Jünglingen bestreiten, die außer ihrer Ausbildung, ihren Privilegien und rosettengeschmückten Kleidern auch mit weltgewandten Manieren prahlen konnten. Zu dieser Zeit verbreitete sich ein neues Adelsideal über ganz Europa. Das Vorbild war französisch, wurde
le galant homme
genannt und betonte vor allem die äußeren Formen. Lebensart, höfisches Auftreten und nonchalante Eleganz wurden höher bewertet als reine Belesenheit, Kenntnisse in Musik und noble Sportarten höher als alle steife Gelehrsamkeit. Für einen echten Aristokraten war es das Wichtigste, die kulturellen und gesellschaftlichen Normen zu beherrschen, die das Entree in die innersten Gemächer der Macht regelten und bei denen Äußerlichkeiten wie Sprache, Tischsitten, Gesten, Kleidung und Zeitvertreib eine immer größere Rolle spielten. Diese Verfeinerungsmanie war ein Versuch des europäischen Adels, sich in einer allgemeinen Krisenzeit eine neue Identität zu schaffen, jenseits der Gelehrsamkeit, die das Bürgertum bereits erobert hatte, und jenseits des Helden zu Pferde, der in den zahlreichen langen Kriegen ein wenig in Misskredit geraten war. Diese neue Identität wurde erreicht, indem man das klassische Bildungsideal hinter eine kühle, feine Lebensart zurücktreten ließ. Auf diese Weise versuchten sie, sich gegen die aufstrebenden Gruppen von Bürgern und anderen nichtadligen Karrieristen abzugrenzen, die sich nun durch Ausbildung in der Gesellschaft vorwärts und nach oben arbeiteten. Es war ein Versuch, neue Grenzen zu errichten, nachdem die vorwitzigen Bürger angefangen hatten, die alten zu überklettern.
    Vom Ende der vierziger bis zur Mitte der fünfziger Jahre betrieb Erik wohldurchdachte Eigenstudien, die, soweit sie aus seiner Bibliothek und den

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