Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Frankfurt einen kosmopolitischen Anstrich, und nach dem Friedensschluss war der französische Einfluss spürbarer geworden – Frankreich hatte nun Spaniens einstige Position als Europas führende Macht übernommen.
Es wäre falsch zu behaupten, dass Erik Jönsson sich mit Begeisterung über seine neue Arbeit warf, aber diesen eventuellen Mangel an Enthusiasmus glich er mit seinem üblichen Fleiß aus. Doch die Aufgabe war schwierig und nicht besonders angenehm und zog sich in die Länge. Die Monate vergingen; sowohl Rehnskiöld als auch Mardefelt drängten mit Geldforderungen, und dann und wann konnte Erik ihrem pekuniären Murren auch Folge leisten und ein wenig Geld per Wechsel nach Hamburg senden. (Wie langsam die Arbeit vorankam, erkennt man daran, dass er bis Ende 1650 nicht mehr als «einige tausend Reichstaler» hatte eintreiben können.) Erik scheint mit dem festen Vorsatz nach Frankfurt gekommen zu sein, die Zeit als Geldeintreiber nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Er wäre lieber auf eine Studienreise ins Ausland gegangen, aber seine Abkommandierung hatte den großen Vorteil, dass ihm viel freie Zeit blieb, die er nach eigenem Gutdünken nutzen konnte. Also ließ er sie nicht in beschaulichen Müßiggang oder in Trübsal über die Ungerechtigkeit der Welt abgleiten, sondern versuchte, das Beste daraus zu machen.
Als Erstes wollte er sich eine höhere Ausbildung in der Befestigungskunst verschaffen, ein Vorsatz, in dem sowohl Rehnskiöld als auch insbesondere Mardefelt ihn gern bestärkten – der Letztgenannte hegte trotz der friedensbedingten Kürzungen gewisse Hoffnungen, den vielversprechenden Erik wieder zurück in seinen Dienst zu bekommen. Es war kein größeres Problem, einen geeigneten Lehrer zu finden, denn in Frankfurt am Main wohnte zu dieser Zeit «der vornehme Ingenieur Georg Andreas Böckler». Erik kannte ihn von zwei Lehrbüchern der Baukunst,
Architectura Militaris
und
Architectura Civilis
, die dieser einige Jahre zuvor veröffentlicht hatte. Der Kontakt mit Böckler führte Anfang Oktober 1650 zu einem Angebot, für die stattliche Summe von 60 Reichstalern sein Schüler zu werden – die Hälfte sollte als Vorschuss bezahlt werden. Erik nahm an. Seine Schulung unter Böckler begann im gleichen Herbst und umfasste dem Tagebuch zufolge «Mathesie wie Geometrie, Perspektive, Fortifikation und dergleichen». Der Unterricht in Geometrie bestand in einer kurzen Einführung in die einfachsten geometrischen Figuren und wie man sie zeichnete, vergrößerte und verkleinerte. Dort musste er auch lernen, wie man Flächen und Körper berechnete, im Feld wie auf Papier, und wie man größere Gebiete vermaß und kartierte. In Fortifikation lehrte Böckler ihn verschiedene Elemente wie Zeichnen, Vermessen und Abstecken sowie verschiedene Typen von Berechnungen, sowohl mit Instrumenten als auch ohne. In Perspektive lernte Erik die Grundlagen; teils ging es darum, auf bestmögliche Weise verschiedene Grundrisse von Gebäuden, Räumen, Brunnen und Gärten zu zeichnen, teils darum, mit Hilfe verschiedener Instrumente diverse Objekte wie Häuser, Städte, Schlösser und anderes auf realistische Weise wiederzugeben.
In Briefen ermahnte Mardefelt seinen jungen Schützling und gab ihm freundschaftliche Ermunterung. Er stellte unter anderem fest, dass Geometrie eine höchst nützliche Wissenschaft sei, fügte indessen warnend hinzu, dass Erik sich vor zeitraubenden Petitessen in Acht nehmen solle und dass die Perspektivenlehre besonders nützlich sei für jemanden, der wie Erik ein guter Zeichner sei. Ein paar von Eriks Perspektivübungen sind erhalten geblieben, zum Beispiel eine gravurähnliche Federzeichnung, die mit schwarzer Tinte ausgeführt und mit grauer Lavierung verstärkt ist; sie stellt einen gedeckten Säulengang mit einigen kleinen Figuren und einem Hund unbekannter Rasse dar – die Genauigkeit beweist, wie ernst er seine Übungen nahm.
Die Studien bei Böckler, die teilweise per Korrespondenz betrieben wurden, sollten fast dreieinhalb Jahre dauern. Erik war wie immer ein intelligenter, fleißiger und gelehriger Schüler und gewann bald Böcklers Vertrauen. Offenbar hatte der 25 -jährige Schwede auch eine gewinnende Art, denn das Verhältnis zwischen ihm und dem gleichaltrigen Lehrer wurde enger und mit den Jahren freundschaftlich. Wiederum handelt es sich um eine Art von Klientenverhältnis. Die beiden begannen Dienste und Gegendienste auszutauschen. Böckler sammelte auf seinen Reisen
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