Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
im Freien, auf Straßen und Plätzen. Musikinstrumente wurden nur bei besonders festlichen Anlässen gespielt. Meistens tanzten die kleinen Leute, wie sie es von jeher getan hatten, also zum Rhythmus eines gemeinsamen Gesangs. (Wie bei den Spielen und den Tänzen gab es auch bei den Liedern einen erstaunlichen Reichtum; die Menschen sangen im Alltag in einem Ausmaß, das wir, die wir dieser einfachen und spontanen Form des Musizierens durch all die eingespielte Musik beraubt sind, nur noch schwer verstehen können; es scheint nicht ungewöhnlich gewesen zu sein, dass einzelne Personen Hunderte von Liedern auswendig konnten.)
Im Übrigen waren verschiedene Ball-und Kegelspiele populär. Die Franzosen benutzten Holzschläger, Kugeln und Bogen in einem Spiel, das sie
paillemaille
oder
crocket
nannten; die Holländer versammelten sich mit Schlägern und massiven Bällen auf zugefrorenen Seen oder Kanälen, um ein Spiel namens
kolven
zu spielen, ein Zeitvertreib, der sich unter dem Namen
golf
auch in England und Schottland verbreitete, wo man jedoch auf abgeweideten Strandwiesen spielte. Verschiedene Kegelspiele waren ohne großen Aufwand spielbar und wohl auch unter sogenannten kleinen Leuten verbreitet. Ein weiterer Volkssport, der unter anderem in England, Italien und Frankreich betrieben wurde, war das notorisch gewalttätige und chaotische Fußballspiel, das von großen lärmenden Volksansammlungen mit Leidenschaft gespielt wurde, allen Versuchen der Obrigkeit, es zu unterbinden, souverän trotzend. Unter den gehobeneren Schichten dagegen waren Sportarten, die mit Schlägern ausgeführt wurden, besonders beliebt. In Paris gab es 1657 nicht weniger als 114 Ballspielhäuser, und auch in Stockholm gab es am Slottsbacken zwei derartige Einrichtungen, wo bessere Herren sich in verschiedenen Ballspielen versuchen konnten. Eins dieser Spiele war
paume
, das mit einer großen Lederkugel gespielt wurde, die zwischen den Kontrahenten entweder mit der flachen Hand oder mit einem kleinen geflochtenen Schild hin-und hergeschlagen wurde. (Aus diesem Spiel – das lange Zeit populär war, dem aber gegen Ende des Jahrhunderts vom Billard der Rang abgelaufen wurde – sollte sich mit der Zeit das moderne Tennis entwickeln.) Ein anderes Spiel ähnelte unserem Badminton, wurde mit einem kleinen Schläger und einem leichten Federball gespielt und galt als besonders vornehmer Sport. Die Spiele erstreckten sich über mehrere Stunden am Stück, und nicht selten ging es um Geld oder Geldwerte (es gibt Beispiele dafür, dass Leute an einem einzigen Tag über 2000 Dukaten verloren).
Auch wenn Geld oder der Einsatz eines Pferdes zuweilen dem Spielen im 17 . Jahrhundert einen gewissen Ernst verleihen konnten, herrschte dort zumeist doch eine ungezwungene, lockere, fröhliche und freie Stimmung. Und auch wenn viele der Zerstreuungen gewisse äußere Ähnlichkeiten mit verschiedenen modernen Erscheinungen haben, enden die Vergleichsmöglichkeiten doch hier. Im 17 . Jahrhundert gab es keinen Sport in unserem Sinn, und niemand hätte damals im Traum daran gedacht, seinen Sport in der durchorganisierten, systematisierten, professionalisierten und tierisch ernsten Form zu betreiben, wie es im modernen Leistungssport der Fall ist. Sie wussten sehr wohl, dass sie spielten, und es wäre ihnen nicht in den Sinn gekommen, so zu tun, als ginge es um etwas anderes. Die heute übliche Grenze zwischen einer breiten Masse von Zuschauern und einer kleinen Schicht von Aktiven gab es in diesem Jahrhundert ebenfalls nicht.
Damit ist nicht gesagt, dass es in den Spielen und Sportarten keine Grenzen gab. Man kann im 17 . Jahrhundert gewisse Tendenzen erkennen, zwischen gutem und verderblichem Zeitvertreib zu unterscheiden. Diese moralisierende Betrachtung der Freizeitvergnügungen, die sichtlich Probleme hatte, sich durchzusetzen, war eine Neuheit, die erst zum 19 . Jahrhundert hin größere Durchschlagskraft gewinnen sollte. Im 17 . Jahrhundert war es noch wichtiger, einen Unterschied zwischen feinen und unfeinen Spielen zu machen, zwischen Spielen für Bauern und das gemeine Volk und solchen, die sich nur für die Elite ziemten. Es wurde oben erwähnt, dass der Adel begonnen hatte, sich von der Volkskultur zu distanzieren und sich in vornehme Abgeschiedenheit zurückzuziehen. Eins der Mittel, mit denen man seine gehobene Position markierte, war gerade dies, dass man sich modischen und standesgemäßen Freizeitbeschäftigungen widmete. Eins dieser exklusiven
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