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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Buchlisten zu erschließen sind, ambitiöse, aber auch leicht pathetische Nachäffungen der grandios aufgeblähten Bildungsprogramme darstellten, die unter seinen aristokratischen Altersgenossen in Mode waren. Er wollte ja so gern mithalten. Also nahm Erik Französischunterricht bei einem Pastor namens Mohr, ging einen ganzen Sommer lang zu einem Reitlehrer und vervollkommnete seine Reitkünste. Außerdem erwarb er eine Mandoline aus Ebenholz mit Elfenbeinintarsien und lernte, auf dieser und auf einer Basslaute zu spielen. Vor allem die Kinder der höheren Schichten mussten früh lernen zu musizieren – dies erklärt, warum im alten Europa musikalische Wunderkinder wie Mozart auftreten konnten –, und gerade Musik, neben Französisch und Reiten, musste ein aufstrebender junger Mann beherrschen.
    Doch trotz all dieser Vervollkommnung und emsigen Eigenstudien verging die Zeit in Frankfurt langsam, Monat auf Monat verstrich, und immer noch zog es ihn hinaus und fort. Die Bittschrift an Karl Gustav hatte nicht das geringste Resultat erbracht: Mardefelt hatte Karl Gustav zwar in Eriks Sinn bearbeitet, und es war ihm auch gelungen, jenem ein halbes Versprechen über finanzielle Unterstützung für diesen abzuringen, aber dann war das Ganze im Sande verlaufen. Erik nutzte aber die Gelegenheit, sich auf kürzere Reisen davonzustehlen, wie zum Beispiel im Herbst 1651 , als der junge Graf Christopher von Königsmarck, ein Sohn des Feldherrn, in Frankfurt am Main auftauchte. Dieser befand sich auf seiner Kavalierstour (oder Bildungsreise), und sein nächstes Ziel war die alte Universität in Heidelberg. Am Beginn des Jahrhunderts führte eine solche Reise selten weiter als in die nördlichen Teile Deutschlands und möglicherweise nach Holland, doch jetzt um die Mitte des Jahrhunderts wurde es üblich, dass sie auch Frankreich und zuweilen Italien umfasste. Auch nichtadlige junge Männer unternahmen zuweilen solche Reisen durch Europa. Dass selbst eine Reihe schwedischer Bauernsöhne sich auf eine Bildungsreise begaben, ist einzigartig und ein weiteres Zeichen für die ungewöhnliche Stärke des schwedischen Bauernstandes. Im Allgemeinen lag jedoch eine solche «Peregrination» jenseits der Möglichkeiten eines nichtadligen Studenten. Ihre beste Chance, in den Genuss einer solchen Reise zu kommen, war, als Präceptor einen besser bemittelten Adelssprössling zu begleiten, der den Kontinent bereiste. Eine Bildungsreise war keine rasch absolvierte Besichtigungstour, sondern lief darauf hinaus, dass die Jünglinge an verschiedenen Universitäten und bekannten Stätten auf ihrem Reiseweg verweilten und sich dort Zeit nahmen, die Sprachen der fremden Länder zu lernen, ihre gesellschaftliche Ordnung, Sitten und Sehenswürdigkeiten kennenzulernen. Nicht selten arteten diese Wanderungen indessen aus und hatten mehr mit lockerem Lebenswandel, Trunk und Spiel als mit Gelehrsamkeit zu tun, und es war nicht ungewöhnlich, dass junge Männer unterwegs Schulden machten und arretiert wurden, worauf die Angehörigen in Schweden gezwungen wurden, sie auszulösen.
    Erik sprang auf den Wagen des jungen Königsmarck auf, als dieser Frankfurt am Main verließ – dass er den 17 -jährigen Grafen begleiten konnte, hing sicher mit seiner lockeren Anknüpfung an das Klientennetz um die Familie Wrangel zusammen; dazu gehörten auch die Königsmarcks. Die Reise führte sie nach Mainz, wo Erik im Schloss übernachtete, am Tisch des Kurfürsten speiste und ein einstiges Schlachtfeld besichtigte, und anschließend weiter «mit des Kurfürsten eigener Karosse und Pferden» – sein Stolz ist nicht zu verkennen – nach Heidelberg. Nachdem er «die Stadt, das Schloß, das große Weinfaß und den über die Maßen schönen Garten, die lieblichste Lage und was sonst noch remarkabel war, angesehen» hatte, kehrte er entlang der schönen Bergstraße nach Frankfurt am Main zurück.
    Wir dürfen uns den jungen Erik Jönsson in Frankfurt nicht als monomanen Streber vorstellen, der sich in ernsten Studien, anspruchsvollen Übungen und harter Arbeit vergrub und von der Welt zurückzog. Der junge Mann hatte offenbar soziale Talente, zumindest der Leichtigkeit nach zu urteilen, mit der er neue Freunde fand. Er schuf sich in diesen Jahren in Frankfurt und Umgebung einen kleinen Bekanntenkreis: oft Leute wie er selbst, Beamte, die irgendwo unterhalb der Mitte auf der Karriereleiter ein unsicheres Leben fristeten. Besonders zufrieden war Erik, als er im Januar 1651 im

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