Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Rahmen einer Tauffeier, bei der er Pate war, mit dem Grafen von Hanau Bekanntschaft schließen konnte. Man spürt förmlich, wie ihm die Brust schwillt vor Zufriedenheit, als er im Tagebuch über das Erlebnis berichtet:
Ich wurde nicht allein so vertraulich mit ihm, daß wir die Hüte tauschten, sondern er lud mich ein auf das Schloß, woselbst ich von ihm samt seiner Fürstin sehr wohl traktiert, geehrt und aufgenommen wie auch für einige Tage von ihm auf die Jagd geführt wurde, sowie in seinem Garten mit Ringrennen und anderer Kurzweil entreteniert wurde.
Man beachte, dass der arme Bürgersohn – hier symbolisch mit dem Hut eines Grafen bekleidet – bereits gelernt hat, adligen Zeitvertreib wie die Lustjagd und das Ringrennen zu beherrschen. Wie bereits zuvor betont, spielten verschiedene Belustigungen und Zerstreuungen damals eine größere Rolle im Leben der Menschen als heute. Dabei muss man bedenken, dass es geselliges Leben in unserem Sinn, also dass die Leute einander zu ruhigem und vertrautem Beisammensein besuchten, nicht gab. Dies spiegelt sich in der Architektur und der Möblierung wider. Die Häuser der höheren Stände hatten zwar oft große Festsäle, aber keine eigentlichen Gesellschaftsräume, und das in diesem Jahrhundert eingeführte Sofa – das Möbel des vertrauten Gesprächs schlechthin – war noch eine Seltenheit. Das moderne Privatleben mit seinem großzügigen Maß an Abgeschiedenheit sollte erst noch entstehen. Zerstreuung fand man in der Regel in größeren Gruppen. Nicht, dass es an häuslichen Freizeitvergnügen mangelte. An den sogenannten langen Winterabenden griff man gern zu verschiedenen Brettspielen, Würfelspielen und den allgegenwärtigen Kartenspielen. Allein in Georg Stiernhielms Lehrgedicht
Hercules
( 1658 ) werden fünfzehn verschiedene Kartenspiele genannt. (Häufig spielte man um Geld. Auch wenn es manchmal um bedeutende Beträge ging – es wird von Adligen berichtet, die bei einer Partie mehrere tausend Taler verloren –, war die Verbreitung des Hasardspiels in Schweden im Vergleich zu Frankreich gering. Dort gab es Leute, die mit Spielen wie
hoca
und
reversi
bis zu 100 000 Écus im Monat einnahmen.) Wenn man sich vergnügte, tat man dies jedoch gern in größerer Gesellschaft und unter überschwänglicheren Formen. Einfache Spiele wie Blindekuh wurden von Erwachsenen wie Kindern mit der gleichen Begeisterung gespielt. Die meisten Spiele, die wir heutzutage mit der Kindheit verbinden, waren damals – wie die Märchen, die Entsprechung jener Zeit zu den Kriminalromanen unserer Tage – beliebt bei Menschen aller Altersgruppen. Die Mentalität des 17 . Jahrhunderts zeichnet sich nämlich durch einen Mangel an Ernst aus. Dies äußert sich unter anderem in dem fast überwältigenden Reichtum an Spielen, von denen die meisten verlorengegangen sind. In seiner
Atlantica
nennt Olof Rudbeck unter anderem die Folgenden – und man beachte, dass er sie als Erwachsenenspiele der etwas raueren Art anführt:
Braten schnappen, Blindekuh, Schuhe schmuggeln, Stuten zähmen, Malz trocknen, Zum König reiten, Den Schimmel beschlagen, Streit haben, Kirche spannen, Triff mich mit hundert Stößen, Markus willst du Prügel, Nach Deutschland segeln, Im Zuber stehen, Zu Kreuze kriechen.
Die gleiche Vielfalt begegnet uns im Tanz, der auch von allen Gesellschaftsklassen mit der gleichen unverstellten Begeisterung betrieben wurde. Die Auswahl war wirklich reichhaltig. Teils gab es Tänze, die zum einheimischen traditionellen Repertoire gerechnet werden konnten: Ringtänze, Volkstänze, Tanzspiele, Fackeltänze usw. Teils gab es auch verschiedene importierte Reihen-und Kontratänze, häufig reine Modetänze und meistens schwer zu lernen. Weder einheimische noch ausländische Tänze waren in der Regel für Paare gedacht, sondern für große Gruppen: die sexuelle Tönung, die das Tanzen heutzutage hat, fehlte im 17 . Jahrhundert weithin. Bei ein und derselben Gelegenheit wurden verschiedene Typen von Tänzen getanzt. Heute vergessene Tanzspiele wie «Ich zog übers salzige Meer», «Armer Vogel», «Meinen Hafer laß ich schneiden», «Was verehrt der Bauer seiner lieben jungen Frau?», «Ich weiß wohl, wo der Heuboden steht», «Dort drinnen wohnt eine liebliche Maid», «Von Trauer getrübt ist mein Gemüt» kamen neben traditionellen Tänzen wie dem «Mühlentanz» und moderneren Importen wie der englischen Gigue, dem Menuett, der Bourrée und der Gavotte vor. Nicht selten tanzte man
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