Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
nicht weniger echt. Die Schlusszeilen lauten:
Ich sage dir nun Adieu.
Meine Schöne, die mich so quält.
Und meine Liebe, die ich trage
ständig in meiner Treu.
Noch viele Jahre später, als der neue große Krieg seinem Ende zuging und Erik seine ersten großen Triumphe gefeiert hatte, sollten seine Gedanken zu der «Jungfrau Margareta» in Frankfurt am Main zurückkehren.
Im gleichen Monat, als Erik Margareta Beier adieu sagte, war er anwesend, als in Regensburg ein neuer deutscher Kaiser gewählt wurde. Noch regierte Ferdinand III . über das flügellahme und zersplitterte Reich, doch um seinem jungen gleichnamigen Sohn den Thron zu sichern, ließ er einen Reichstag einberufen, an dem auch schwedische Repräsentanten teilnahmen. Einer von denen, die ausersehen waren, Schwedens Interessen in Deutschland zu vertreten, war Georg von Snoilsky, Eriks Vorgesetzter in Frankfurt am Main. Erik nahm die Gelegenheit wahr, ihn nach Regensburg zu begleiten. Als danach «der Kaiser mit allen Kurfürsten, Fürsten» sich in der Sommerhitze «zu der Stadt Augsburg [begab], um seinen Sohn Ferdinandum, der König von Ungarn und Böhmen war, zum römischen König krönen zu lassen», reiste Erik mit, um den Festlichkeiten beizuwohnen. Im Tagebuch schreibt er beeindruckt von «Prunk und Pracht über alle Maßen», die bei der Krönung entfaltet wurden.
Allem strahlenden Krönungspomp zum Trotz sollte Klein Ferdinandus eine traurige Ruine von einem Kaiserreich erben, ein Reich mehr nominell als faktisch. Deutschland war schwer gezeichnet vom Krieg und sollte es bleiben. Die Bevölkerung hatte sich von ungefähr 20 auf 16 Millionen verringert. In bestimmten Gegenden Deutschlands waren zahllose Äcker überwuchert und Dörfer verlassen, es gab sogar einige völlig ausgestorbene Städte. Die Zerstörung und die Verluste waren jedoch ungleich über die verschiedenen Länder verteilt. Bestimmte Teile des deutschen Reichs, wie zum Beispiel die nordwestlichen Provinzen, waren vom Dreschflegel der Armeen fast ganz verschont geblieben und blühten bereits während des Krieges wieder auf. Andere Regionen, die Schauplatz vieler und langer Feldzüge gewesen waren, wie Pommern, Mecklenburg und die Pfalz, hatten zwischen 60 und 70 Prozent ihrer Bewohner verloren. (In den Gegenden von Pommern, wo Erik Augenzeuge gewesen war, wie Krockows Korps von schwedischen Truppen besiegt wurde, hatte es vor 1618 rund 3000 Einwohner gegeben, die in 30 Dörfern lebten; bei Kriegsende waren elf dieser 30 Dörfer menschenleer, und noch gegen Anfang des 18 . Jahrhunderts waren zwei Drittel aller Bauernhöfe der Gegend verwaist.) Bayern, Magdeburg, das Elsass und Böhmen gehörten zu den Gebieten, die nahezu die Hälfte ihrer Gesamtbevölkerung verloren hatten. Die Familien waren auch bedeutend kleiner geworden: Vor dem Krieg hatte ein durchschnittlicher Bauernhaushalt neun Personen umfasst, nachher waren es noch vier. Nur ein kleiner Teil der Verschwundenen war infolge direkter Kampfhandlungen oder aufgrund anderer Übergriffe gestorben. Wer nicht geflohen war – und das waren nicht wenige –, erlag in der Regel dem Hunger oder den Epidemien, die stets die unausweichlichen Folgeerscheinungen des Hungers und der Heere waren. Die kleinen Kinder, die schwangeren Frauen und die Alten waren die ersten Opfer, während die waffenfähigen Männer von den Heeren aufgesogen wurden. Ein Teil der Verluste konnte wiedergutgemacht werden. Nach dem Friedensschluss stiegen die Geburtenzahlen rasch an. Aber wer fort war, der war für immer fort. Einem Italiener, der in dieser Zeit das Reich bereiste, fiel auf, wie wenig Männer und wie viele Kinder überall zu sehen waren.
Natürlich hatte Deutschland auch rein materiell schwer gelitten. Der Krieg verstärkte und vertiefte eine gewisse wirtschaftliche Stagnation, die bereits vor dem Ausbruch der Feindseligkeiten eingetreten war. Der große Wohlstand, der während des 16 . Jahrhunderts geschaffen wurde, war nach den dreißig Kriegsjahren so gut wie verbraucht. Viele Städte und Gemeinwesen, die vor 1618 große Überschüsse aufzuweisen hatten, waren nach 1648 hoch verschuldet, nachdem man sie immer wieder gezwungen hatte, zu Kontributionen und Brandschatzzahlungen beizutragen. Dazu kamen noch die 5 Millionen Taler, die die schwedischen Diplomaten dem Reich abgepresst hatten, um dem Frieden zuzustimmen, und die in vielen Fällen das geringe Kapital, das noch verfügbar war, auffraßen. Allein die Zinsen für die riesigen
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