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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Kredite sollten die Menschen noch für Generationen niederdrücken.
    Genau wie in Schweden und anderen Ländern hatte der lange Krieg auch zu einer großen Umverteilung der Reichtümer geführt und dazu, dass gewisse Schichten sich auf Kosten der anderen bereichern konnten. Ein nicht unbedeutender Teil der von den Armeen gestohlenen Gelder war faktisch in die betreffenden Länder zurückgeflossen, landete aber dort in den Taschen der Kriegsunternehmer, die gut davon lebten, Lebensmittel und andere Waren an die Kriegführenden zu verkaufen. Viele Handelskapitalisten konnten deshalb mit weit größeren Vermögen aus dem Krieg hervorgehen, als sie anfänglich eingebracht hatten. Das Gleiche gilt für viele Großgrundbesitzer; auch wenn zurückkehrende Flüchtlinge oder neue Zuwanderer sich rasch an die Arbeit auf den verlassenen Äckern machten, war der Wiederaufbau der Landwirtschaft nicht selten schwierig und teuer. Viele Bauern und auch ein Teil kleiner adliger Landbesitzer hatten nicht die Mittel, um neu anzufangen, und Großgrundbesitzer konnten deshalb deren Boden zu Spottpreisen aufkaufen. In den östlichen Reichsteilen ging diese Ausweitung der großen Güter auch Hand in Hand mit der Ausweitung der Macht der Gutsherren über die Bauern. Der Bevölkerungsrückgang schuf vielerorts einen Mangel an Arbeitskräften, den auch die Großgrundbesitzer spürten und den sie dadurch zu beheben suchten, dass sie den Bauern und seine Familie an den Boden banden. Der Krieg führte in diesen Regionen zur Neuetablierung einer alten Leibeigenschaft, die bis ins 19 . Jahrhundert bestehen bleiben sollte.
    Die Auswirkungen des Krieges auf Deutschlands Entwicklung als Staat wurden gerade auf dem Reichstag in Regensburg im Spätsommer 1653 schmerzlich klar. Zwar waren Länder wie die Schweiz und die Niederlande ein für alle Mal aus dem Reich herausgebrochen worden, während andere unter ausländische Oberhoheit geraten waren. Dennoch war das deutsche Reich das größte in Europa, das sich von der Ostsee bis zum Adriatischen Meer, vom Rhein bis zu den Karpaten erstreckte. Es würde ein großer und ressourcenstarker Nationalstaat werden können, das Herz und Rückgrat Europas.
    Der Krieg war der größte und zentralste Konflikt des 17 . Jahrhunderts und hatte Deutschland und Europa ein unauslöschliches Mal eingebrannt. Nie zuvor hatten Zerstörung, Verluste und Verzweiflung ein solch verheerendes Ausmaß erreicht, und die Folgen waren außerdem weit über die Grenzen des deutschen Reiches hinaus zu spüren. Die Erschütterungen des deutschen Kriegs waren an so unterschiedlichen und entfernten Orten wie dem Innern von Västerbotten, den Städten Siziliens und den Küsten Brasiliens spürbar. Da der Krieg so außerordentlich kostspielig war, führte er, wie mehrfach erwähnt, dazu, dass die Herrschenden überall Land und Leute mit Steuern und Abgaben überlasteten, mit dem Ergebnis, dass es zu zahlreichen Aufständen, Revolten, Revolutionen kam. Weil er so lange gedauert hatte, hatte er die Entstehung des modernen und strikt zentralistischen Staatsapparats, ja des Nationalstaats kraftvoll vorangetrieben: Eine solche Modernisierung war notwendig, wenn man in den bewaffneten Auseinandersetzungen gewinnen, ja, wenn man überhaupt als Staat überleben wollte. In Deutschland hatten indessen die dreißig Jahre des Unfriedens einen genau entgegengesetzten Effekt, zumindest auf das Heilige Römische Reich. Der Weg hin zu einem zentralisierten Einheitsstaat, den die habsburgischen Kaiser vor 1618 einzuschlagen versuchten und der einer der großen Konfliktstoffe des Krieges gewesen war, wurde nun mit dem Frieden von 1648 blockiert; stattdessen setzte eine Entwicklung ein, die zum Zerfall führte. Der Friedensvertrag von Münster und Osnabrück gab den deutschen Fürsten das Recht, selbst Allianzen mit verschiedenen fremden Mächten einzugehen. Auf dem Reichstag 1653 wurden auch die Versuche vereitelt, ein das gesamte Reich umfassendes einheitliches Steuersystem zu schaffen, ohne das sowohl dem Kaiser als auch dem Reichstag jede Möglichkeit genommen war, eine Politik für Deutschland in seiner Gesamtheit zu führen. Nie mehr sollte das Heilige Römische Reich Deutscher Nation sich auf einen gemeinsamen politischen Beschluss einigen, nie mehr sollte es als eine Einheit Krieg führen.
    Diese schwerwiegende Schwächung der politischen Autorität des Kaisertums hätte vielleicht nicht so fatal sein müssen, wenn das Geschehene tatsächlich dazu

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