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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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weiße Kohlraupen mit schwarzen Köpfen in unseren Füßen wuchsen, die die gräusliche Hitze während der Überfahrt verursachte, nach deren Stechen und Beißen es so juckte, obwohl man unter den Füßen in den Schweißlöchern mit etwas Scharfem grub und stocherte, daß das Blut floß.
    Der Gestank an Bord war nahezu unerträglich, und bevor das vom Sturm beschädigte Schiff den Delaware erreichte, waren rund 100 der ursprünglich 350 Passagiere gestorben. Kaum ein Tag verging, ohne dass ein neuer toter Körper in ein Laken oder ein Tierfell eingenäht, mit Steinen beschwert und in den Atlantik geworfen wurde. Diejenigen, die überlebt hatten, waren in miserabler Verfassung, und falls die Holländer in Fort Casimir, dem Riegel vor dem Delawarefluss, Scherereien machten, wenn die
Örnen
vorübersegelte, würde es den Schweden schwerfallen, sich zur Wehr zu setzen.
    Als das Schiff am Sonntagmorgen, dem 21 . Mai 1654 , die Höhe von Fort Casimir erreichte, ankerte man und gab schwedische Losung als Signal an die Holländer. Nun geschah etwas, womit keiner gerechnet hatte. Der üblichen Prozedur zufolge sollten die Männer dort drinnen mit ihrer eigenen Losung antworten und danach herauskommen und das schwedische Schiff visitieren. Nichts von alledem geschah. Überhaupt nichts geschah. Das Fort war bemerkenswert still. Zwanzig Musketiere unter dem Kommando eines Hauptmanns wurden an Land geschickt, und nachdem vom Schiff aus eine brummende Salve direkt über das Fort abgefeuert wurde, ließ man sie durch das Tor ein. Es zeigte sich, dass die Holländer von dem schwedischen Schiff überrascht worden waren. Die Besatzung bestand zurzeit nur aus neun ziemlich verzagten Soldaten unter der Führung eines Sergeanten; ein Teil der Soldaten war zu allem Überfluss noch unbewaffnet – ihre Musketen befanden sich gerade bei einem Waffenschmied –, und für die 13 Kanonen hatte man nur 60 Schuss Munition. Die Holländer sahen keinen Sinn darin, sich zur Wehr zu setzen, sondern gaben kampflos auf. Die holländische Flagge wurde von dem Sohn des Sergeanten eingeholt, eine schwedische Flagge wurde vom Schiff an Land gebracht und über dem Fort gehisst, das von nun an «Fort Trefaldigheten [genannt wurde], weil es am Dreifaltigkeitstag eingenommen wurde». Die Holländer, die in dem Fort und seinem Umkreis lebten, fühlten sich von den Ihren ungefähr so alleingelassen wie die schwedischen Kolonisten, die ein Stück entfernt lebten, und sie schworen ohne großes Weh und Ach einen Treueid auf die schwedische Krone. Es ist beachtenswert, dass diese Kolonisten, ungeachtet dessen, ob sie ursprünglich Schweden, Finnen, Engländer oder Holländer waren, eine pragmatische Einstellung zur Frage der Staatszugehörigkeit hatten. Sie scherten sich wenig um Flaggen und andere kolorierte Symbolik, sondern hielten sich simpel und dem gesunden Menschenverstand folgend an die Obrigkeit, die ihnen gerade die besten Bedingungen bot. Von Nationalismus keine Rede. Dass man so weit vom Kraftfeld des eigenen Reichs entfernt war, beeinflusste auch viele Soldaten und niedere Beamte, die eine ähnliche Anpassungsfähigkeit an den Tag legten.
    Es hatte danach ausgesehen, als würde Neuschweden in diesem Wäldermeer um den Delaware versinken, doch mit der Ankunft der
Örnen
und dem Zuwachs durch die Holländer, die um Fort Casimir herum lebten, hatte sich die Einwohnerzahl der Kolonie mit einem Schlag verfünffacht auf rund 370 Personen. Risingh, nach all den widrigen Strapazen der Seereise noch geschwächt und mitgenommen, machte sich sogleich an die Arbeit, die Kolonie wieder auf die Beine zu stellen. An die Neuankömmlinge (die auch Kühe von der Neuschweden-Kompanie leihen konnten) wurde Land verteilt, es wurden Versuche unternommen, die zu den Engländern Geflüchteten zurückzulocken; verfallene Häuser wurden instand gesetzt und neue gebaut, mehrere kleine Festungen verstärkt und das gesamte Gebiet genau kartiert. Aus der Erfahrung von Printz’ höchst unpopulärem Regiment klug geworden, suchte Risingh die Bedingungen der Kolonisten zu verbessern und ihre Stimmung zu heben; früher konnten sie Boden nur von der Kompanie kaufen, nun bekamen sie das Recht, direkt von den Indianern zu kaufen; früher hatte die Kompanie das Monopol für den Handel mit den Ureinwohnern, nun durfte jeder mit ihnen Handel treiben.
    Risingh hatte nichts von dem groben Landsknechtsgebaren seines Vorgängers, sondern war einer jener Organisatoren und Planer, die weite

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