Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
über den Mälarsee konnten die Bürger der Stadt als Vermittler zwischen Bergslagen und der Hauptstadt einträgliche Geschäfte machen. Reisen oder Transporte über Land waren immer umständlich, teuer und langsam, und nach Möglichkeit wählte man den Wasserweg.
In Västerås wurde Erik bei einem Bürger der Stadt einquartiert und besuchte das kleine «Pädagogium» des Ortes, das im Untergeschoss des alten Domkapitelhauses untergebracht war. Erik gehörte zu den Allerjüngsten in einer Schar von rund 50 Schülern, deren Alter stark variierte, und zusammen mit ihnen wurde er im Katechismus, in Schwedisch, Schreiben und Gesang unterrichtet. Erik hatte großes Glück, dass er ausgerechnet in Västerås landete, denn die Stadt war das pädagogische Kraftzentrum des Landes, in dessen Geist das ganze Land nach und nach geformt werden sollte. Außer dem Pädagogium, das Erik besuchte, gab es dort das erste, 1623 eingerichtete Gymnasium Schwedens. Dieses Gymnasium war eine der größten Ausbildungsanstalten des Landes – im Höchstfall sollten rund 300 Schüler hier studieren –, und den Studierenden wurde eine breite und gute Ausbildung unter anderem in Astronomie, Geschichte, Medizin, ja sogar in Optik geboten. Der Unterricht erfolgte auf hohem Niveau: So war beispielsweise die Ausbildung in Mathematik dieselbe wie die an der Universität in Uppsala übliche. Das Gymnasium in Västerås war in erster Linie eine kirchliche Angelegenheit, die meisten Schüler strebten das Pastorenamt an, und der Unterrichtsplan war dementsprechend reichlich mit lateinischen Phrasen und schwerfälligen lutherischen Glaubenssätzen gespickt.
Das Lehrerkollegium war hochkarätig. Die Schulleitung hatte ein Auge für Talente, und im Lauf der Jahre wurden zahlreiche vielversprechende nichtadlige junge Männer als Lehrer an die Schule berufen. Unter denen, die als Lektoren in Västerås gewesen waren, befanden sich ein geistreicher Dalekarlier namens Göran Olofsson, der geehrt und berühmt unter dem Namen Georg Stiernhielm sterben sollte, von vielen als der Vater der schwedischen Dichtkunst gefeiert, und ein Johan Olofsson, der sich als der scharfsinnige Jurist Johan Stiernhöök in ganz Europa einen Namen machen sollte. Zu dieser Zeit unterrichtete der junge, streitbare Theologe Jöns Terserus am Gymnasium (er sollte später mit allem, was er unternahm, Staub aufwirbeln, als Bischof in Åbo wie auch als Theologieprofessor in Uppsala und als Anführer der Geistlichkeit auf verschiedenen hitzigen Reichstagen.) Doch wenn auch der Unterricht an den verschiedenen Anstalten in Västerås auf hohem Niveau lag, so waren die Räumlichkeiten unter aller Kritik. Kinder mehrerer Klassen mussten sich in dem gleichen Raum drängeln, und die Räume waren kalt, zugig und undicht; im Winter kam es vor, dass der Schnee durch die klaffenden Fensteröffnungen hereintrieb.
Der Begründer des Gymnasiums und der kleinen Schule war der Bischof des Stifts, Johannes Rudbeckius. Er war ein Mann mit hoher Stirn, langem, würdigem Bart und schweren Augenlidern, eine geradezu bärenhafte Gestalt mit seinem schweren Körper und dem heruntergezogenen Kopf, ein strenggläubiger Protestant, von prophetischem Ernst und hohem Eifer getragen, gelehrt, kraftvoll und unermüdlich, mit einem Arbeitsvermögen ausgestattet, das ebenso enorm war wie sein Selbstgefühl geschwollen, selbstbewusst, streng und von einem asketischen Widerwillen gegen alles erfüllt, das eine Spur von Eitelkeit und Selbstgefälligkeit verriet – seine eigenen Kinder hielt er hart und zwang sie dazu, mit abgeschnittenen Haaren zu gehen.
Bereits im Alter von 23 Jahren war er zum Professor in Mathematik an der Universität Uppsala ernannt worden. Nach einem Studium in Wittenberg kam er mit guten Kenntnissen des Hebräischen – das als die Sprache der Engel angesehen wurde – und hart gedrillt in aristotelischer Logik nach Schweden zurück. Als Professor für Hebräisch in Uppsala ließ er sich 1609 auf eine ungewöhnlich ausgedehnte akademische Fehde mit einem temperamentvollen und ruhmsüchtigen Professor in Jura und Politik namens Johannes Messenius ein. Dieser hatte eine Vergangenheit als Jesuitenschüler, was den zu strenger Reinheit der Lehre und Dogmatismus neigenden Rudbeckius natürlich reizte. Beide bildeten bei sich zu Hause private Kollegien, die sich zu kleinen Universitäten in der Universität entwickelten, die den Lehrkörper der Akademie in zwei Lager spalteten und mit allen Mitteln
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