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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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worden waren. Dort konnten die Professoren ausleihen, was sie brauchten, während die Studenten die Bücher brav an Ort und Stelle lesen mussten. Die großen wirtschaftlichen Sorgen, die die Universität seit ihrer Gründung am Ende des 15 . Jahrhunderts geplagt hatten, wurden ein für alle Mal dadurch gelöst, dass Gustav Adolf in einem ungewöhnlich lobenswerten Ausbruch von Großzügigkeit einen großen Teil seiner persönlichen Güter der Universität vermacht hatte – es waren 264 ganze, 74 halbe und 40 viertel Hofstellen, die in Uppland und Västmanland verstreut lagen. Diese Güter warfen einen jährlichen Zins von 10 350 Reichstalern ab, was bedeutete, dass die Universität wirtschaftlich unabhängig wurde. Und als Krönung des Ganzen war im Schatten des Doms ein neues Universitätsgebäude errichtet worden: das Gustavianum, ein schönes, langgestrecktes Haus, das Hörsaal, Druckerei, Mensa und 26 kleine Studentenunterkünfte beherbergte.
    Die Investition war erfolgreich, und die Universität zog nun zahlreiche Studenten an. Als Erik nach Uppsala kam, war ihre Anzahl auf 1000 gestiegen, und sie kamen aus allen Schichten der Gesellschaft: Die allermeisten waren Pastorensöhne, aber es waren auch Jungen aus bürgerlichen Familien und Bauernsöhne und sogar ein Teil adlige Jünglinge unter ihnen. Die weitaus meisten studierten Theologie. Grob gerechnet strebten drei von fünf direkt eine kirchliche Laufbahn an, einer von fünf plante eine Karriere als Beamter, während Spezialfächer, wie zum Beispiel Medizin, lange Zeit nur eine unbedeutende Anzahl Studenten hatten. Diese Aufteilung in verschiedene Gruppen ist indessen teilweise fiktiv. Der Unterricht war nur in geringem Maß auf die Vermittlung wirklicher Berufskenntnisse ausgerichtet. Alle studierten im Großen und Ganzen die gleichen Fächer: Philosophie im Übermaß, desgleichen antike Autoren, sehr viel Theologie, Latein und Logik und so weiter. Die Semester waren lang und wurden nur von einer einmonatigen Sommerpause unterbrochen. Der Unterricht trug immer noch Züge von altersgrauem Mittelalter. Wenn man zum Gustavianum ging, konnte man einen Professor auf Latein vorlesen hören, oft in enger Anlehnung an ein Lehrbuch, während die Studenten emsig mitschrieben. Man konnte auch zu einem Professor gehen, der bei sich zu Hause ein privates Kollegium abhielt, und gegen Bezahlung einem seiner Spezialkurse folgen. Mit der Kontrolle des Erlernten nahm man es häufig nicht so genau. Etwa zweimal im Jahr hielten die Professoren in ihren Kursen pedantische Prüfungen ab, aber zeitweilig gab es gar keine Prüfungen. Nur ein kleinerer Teil der Studenten legte auch ein Examen ab. So fanden beispielsweise die jungen Adligen es unter ihrer Würde, sich all den strengen Prüfungen und mündlichen Befragungen zu unterziehen, die erforderlich waren, um den gewöhnlichsten akademischen Grad, den eines Magisters der Philosophie, zu erlangen.
    Uppsala. Stich nach einer Zeichnung von Erik Dahlberg
    Viele Studenten blieben nur ein paar Semester in Uppsala und verließen danach ein Studium, das auffallend ungeordnet und nicht wenig planlos war. Die Studenten waren in der Regel arm und lebten kümmerlich. Sie wohnten häufig zu mehreren in kleinen, dunklen Kammern und lebten, so gut es ging, von einer kargen Verpflegung, die sie von ihrem Heimatort mitgeschleppt hatten und die für das ganze Semester reichen musste. Uppsala selbst war eine Provinzstadt mit kleinen, grasgedeckten Häusern, und die wachsenden Scharen der Wissensdurstigen hatten den kleinen Ort gleichsam überrumpelt und prägten nun sein Leben. Die Begeisterung der Bürger über die umherschwärmenden Studenten hielt sich in der Regel in Grenzen, denn diese standen in dem Ruf, laut und wild zu sein, zu trinken und ein ausschweifendes Leben zu führen.
    Erik sah wie gesagt wohl wenig von alldem während seiner gut drei Jahre in Uppsala, denn vermutlich verbrachte er die meiste Zeit draußen auf dem Pfarrhof im Kirchspiel Danmark südöstlich der Stadt, wo Olaus Laurelius Pastor war. In diesem Haus erhielt Erik Kost, Logis und Unterricht, unter anderem in Latein. (Der Unterricht wurde wahrscheinlich nicht von Laurelius selbst, sondern vermutlich von jemandem aus dem akademischen Lehrerproletariat erteilt, das von Privatstunden lebte, oder von einem Studenten, der seine Kasse mit einer Nebentätigkeit als Hauslehrer aufbessern musste.) Der sechsjährige Erik wurde gemeinsam mit Laurelius’ eigenen Kindern Lars,

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