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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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einen Einfluss, wie wir ihn uns heute nur schwer vorstellen können. Besonders die Bedeutung der Bischöfe hatte in der Zeit Gustav Adolfs zugenommen, und manche sahen sie als machtvollkommen an. Rudbeckius stand mit seinem harschen Regiment keineswegs allein da. In Strängnäs saß der eigenmächtige Laurentius Paulinus Gothus, der spätere Erzbischof, kolossal in seiner überquellenden Gelehrsamkeit und in seiner dogmatischen Starrheit, und paukte Reformen durch, die in mancher Hinsicht den gleichen Zuschnitt hatten wie die des Rudbeckius. In Åbo thronte «der gewaltige orthodoxe Donnerer» Isak Rothovius, der Bildung verbreitete und alles, das im Entferntesten nach Ketzerei, Irrlehre und papistischen Gedanken roch, mit dem gleichen wilden Pathos attackierte. Doch Rudbeckius war der herausragendste in dieser merkwürdigen Schar langbärtiger Patriarchen, die alle, die in Schweden lebten, in einem strengen, alttestamentarischen Geist prägten.
    Dieser große und traditionelle kirchliche Einfluss war indessen keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern eher eine Quelle wachsender Irritation beim König wie bei der Aristokratie, die die Bischöfe und ihre Leute am liebsten der Oberhoheit der Krone unterstellen wollten. Der deutlichste Ausdruck dieses Strebens nach staatlicher Kontrolle war der Vorschlag des Königs, ein
consistorium generale
– eine oberste Kirchenbehörde – einzurichten, die «allgemeine Einsicht und Aufsicht über die gesamte Geistlichkeit im ganzen Lande» haben sollte. Natürlich sträubten sich einem eigenwilligen Mann wie Rudbeckius, der mehr als viele andere für die Selbständigkeit der Kirche kämpfte, bei dieser Vorstellung die Haare. Er fürchtete natürlich, von einem Staat bevormundet zu werden, in dem Adel und Aristokratie immer mehr zu sagen hatten. Stattdessen vertrat er den Standpunkt, dass die Männer der Kirche eine besondere geistliche Zunft darstellten, die nicht als ein simples Werkzeug des Staats angesehen werden konnte, sondern unantastbar jenseits der Reichweite der politischen Macht stehe. Er sollte jedoch seinen hartnäckigen Kampf gegen die Aristokratie und gegen eine totale Verstaatlichung der Kirche verlieren; am Ende stand er als gebrochener Mann da, gründlich gedemütigt von der machtstrotzenden Ratsaristokratie.
    Der junge Erik verbrachte indessen in Rudbeckius’ Pädagogium in Västerås nur eine kurze Zeit. Ein neuer Aufbruch erwartete ihn.
    Anfang 1632 ließ seine Mutter ihn nach Uppsala schicken. An der Universität lehrte nämlich ein Verwandter der Familie, der Pastor und Magister der Theologie Olaus Laurelius, der einen der zwanzig Lehrstühle der Universität innehatte. Er war in vieler Hinsicht ein typischer Pastor des 17 . Jahrhunderts: ein fähiger und beflissener Mann, der religiöse Erbauungsschriften verfasste und eine orthodoxe und schnurgerade theologische Linie vertrat – und auch als Bischof endete. An der Universität genoss er so hohes Ansehen als Lehrer, dass er zum Mentor mehrerer junger Adliger ausersehen wurde, von denen einige sogar bei ihm wohnten.
    Auch wenn es vorkam, dass Jungen in Eriks Alter an der Universität eingeschrieben waren, ist es doch wahrscheinlich, dass er dem akademischen Leben fernstand. Zu dieser Zeit hatte die Universität in Uppsala begonnen, sich nach einer betrüblichen Verfallsperiode während des späten 16 . Jahrhunderts wieder zu erholen. Damals hatte es nur sechs oder sieben Professoren gegeben – die meistens große Probleme hatten, überhaupt eine Vergütung zu erhalten – sowie eine unbedeutende Anzahl von Studenten. (Um 1600 gab es im gesamten Reich insgesamt etwa 150 Universitätsstudenten.) Gustav Adolf, die Aristokratie und die Geistlichkeit waren jedoch seit einiger Zeit sehr bemüht gewesen, diesen Zustand zu verbessern. Den Herrschenden war klar, dass das Reich eine eigene Universität brauchte, die all die Pastoren und Beamten hervorbrachte, die der wachsende Staat benötigte, und die dazu beitragen konnte, das Reich aus seiner grauen Zurückgebliebenheit zu heben und zu einer Kulturnation aufzuputzen, die den Vergleich mit den Ländern des Kontinents nicht zu scheuen brauchte.
    Also hatte man die Anzahl der Professoren verdoppelt, den Unterricht geregelt und Stipendien gestiftet, die an vielversprechende Studenten verteilt wurden. Auch eine Universitätsbibliothek war gegründet worden – ein nicht unbedeutender Teil davon war reine Kriegsbeute, Buchschätze, die jenseits der Ostsee gehoben

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