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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Schreck erzittern und vor Empörung aufschreien, und eine strikte Neutralitätspolitik war immer schwerer zu verteidigen. Im Verlauf des Sommers schlossen sich mehrere norddeutsche Fürsten Gustav Adolf an, unter anderem Wilhelm von Hessen-Kassel und Georg Wilhelm von Brandenburg. (Georg Wilhelms Beschluss wurde auch in gewissem Maß durch den Anblick einer Batterie schwedischer Kanonen stimuliert, die der cholerische Gustav Adolf während der Verhandlungen, mit den Mündungen auf den Palast des Fürsten in Berlin gerichtet, aufprotzen ließ.) Als es auf den August zuging, war die gesamte Aufmerksamkeit auf Sachsen gerichtet, das wie ein Getreidekorn zwischen den Mühlsteinen lag. Sowohl die Schweden als auch die Kaiserlichen mussten durch das reiche und unberührte Sachsen marschieren, um den Gegner angreifen zu können. Als Tilly aufgrund von Mangel an Unterhalt sein Heer in Sachsen einrücken ließ, verbündete sich der bis dahin so widerspenstige Johann Georg auf der Stelle mit den Schweden.
    Die vereinigten sächsischen und schwedischen Armeen waren Tillys Heer zahlenmäßig überlegen, und Johann Georg wollte den gemeinsamen Feind sogleich zur Schlacht herausfordern. Gustav Adolf zögerte jedoch, und das aus gutem Grund. Eine Schlacht war ein höchst unwägbares Ereignis, ein Spiel mit hohem Einsatz, das in nur wenigen Stunden dazu führen konnte, dass ein teures und unter großen Mühen aufgestelltes Heer ruiniert und ein erfolgreicher Feldzug in sein Gegenteil verkehrt war. Ein kluger Feldherr vermied so lange wie möglich derartige unberechenbare Unternehmungen und griff zu ihnen nur in schweren Notsituationen oder wenn ein Erfolg gesichert schien. Führende Militärtheoretiker wie Johann von Nassau und Moritz von Oranien meinten, es sei besser, den Feind mit Hunger als mit direkten Kampfhandlungen zu besiegen. Der italienische Graf Raimondo Montecuccoli, der sich zu diesem Zeitpunkt in Tillys Armee vor Leipzig befand, schrieb später:
    Wenn man kann, soll man den Feind ohne Schlacht und Wunden besiegen, indem man ihn auf einen schmalen Landstreifen einschränkt, wo man ihn von den Lebensmitteln abschneidet. In einem Kampf verliert man, auch bei glücklichem Ausgang, immer einen Teil der Seinen, und warum das Glück versuchen?
    Es ist außerordentlich wichtig, dies zu bedenken, wenn man die scheinbar verworrenen Kriegsbewegungen kreuz und quer über die Ländergrenzen hin verstehen will. Die Kriege waren in hohem Maß langwierige Kämpfe um gute Quartiere, Proviantierungsbasen und Versorgungswege. Ein geschickter Feldherr war stets darum bemüht, seinen Truppen gute Quartiere zu sichern, während dem Gegner das Gleiche verweigert wurde. Eine Armee wurde zudem öfter als politische Waffe benutzt, um die Entscheidungsträger durch Verwüstung und Ausplünderung von Gebieten unter Druck zu setzen, denn als ein rein militärisches Machtmittel. Gustav Adolf war sich darüber natürlich im Klaren, und er wollte versuchen, Tillys Armee durch fortgesetzte Manöver zu ermüden. Johann Georg war jedoch aus erklärlichen Gründen darauf erpicht, die kostspieligen Gäste so schnell wie möglich aus seinem Land zu bekommen, und es gelang ihm auch, den schwedischen König dazu zu überreden, «eine öffentliche Feldschlacht zu liefern».
    Sie fand am 7 . September statt, nördlich von Leipzig. Das Resultat war eine Sensation.
    Die Schlacht als solche gestaltete sich in mehrfacher Hinsicht als ein Wettstreit zwischen zwei ganz unterschiedlichen taktischen Systemen: auf der einen Seite die nie besiegte kaiserliche Armee mit ihrer schwerfälligen, langsamen und strikt methodischen Kampfweise der spanischen Schule: das Fußvolk, mehr mutig als ausgebildet, in großen, dichten, pikenstarrenden Rechtecken,
tercios
, von dreißig Gliedern Tiefe aufgestellt, schwerfällig, aber äußerst effektiv im direkten frontalen Angriff und stark und stabil in der Verteidigung; die Reiterei schwer bepanzert und in dichten Kolonnen formiert, dafür ausgebildet, in langsamem Trab zum Angriff zu reiten und ihre
caracol
auszuführen, eine ballettähnliche Operation, bei der Glied auf Glied sozusagen Schlange stand, um der Reihe nach die schweren Radschlosspistolen gegen den Feind abzufeuern; die Artillerie, schwer, grobkalibrig und unbeweglich, die jede Schlacht mit einer kurzen Kanonade einleitete, bevor die massiven Rechtecke zu ihrem langsamen Erdrutsch nach vorn ansetzten. Auf der anderen Seite das unerprobte schwedische Heer, das eine neue

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