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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Fluss herangeführt worden. Ein Laufgraben war jedoch bereits gegraben, er führte an einer niedergebrannten Kirche vorbei und durch einen Garten zum südlichen Stadttor. Gustav Adolf gab Order, einen Erkundungsangriff gegen den palisadengekrönten Wall zu führen, der vor dem eigentlichen Stadttor lag. An eine direkte Erstürmung der Stadt war nicht gedacht, dazu hätte es größerer Vorbereitungen bedurft, denn auf den Mauern wimmelte es von feindlichen Soldaten, die die Grabenden mit einer Mischung von Musketenfeuer und höhnischen Schimpfkanonaden überschütteten. (Es war üblich, dass man seinen Feind während des Kampfs zu beschimpfen und zu reizen versuchte, und im Verlauf von Belagerungen wurden von schallend lachenden Kriegern auf beiden Seiten der Mauer häufig Wortgefechte ausgetragen. Dies war keine Ausnahme. «Ihr Heringfresser, habt ihr eure Lederkanonen aufgefressen», rief einer der Kaiserlichen zu den Männern im Laufgraben hinunter, ein anderer hängte eine Wildgans über die Mauer und schrie, dass «die Schweden mit den übrigen Zugvögeln nach Hause in den Norden eilen sollten». Jemand rief daraufhin zurück, dass man «vorhabe, gerade in Frankfurt all die Gänse zu verspeisen, die die Kaiserlichen aus Pommern geraubt hätten».) Gegen sechs Uhr eröffneten schwedische Geschütze das Feuer, und ein paar Kompanien Schotten in schwedischem Dienst – viele in Feiertagskleidern, denn immerhin war Sonntag – liefen auf den Wall zu, die Offiziere voran mit gezückten Degen und Hellebarden. Als die geschlossenen Reihen von Männern in den dicken, weißen Qualm der Artillerie eingehüllt wurden, verschwand jede Sicht; Gedränge und Verwirrung entstanden; laute Schreie und Rufe mischten sich mit dem Donnern der Kanonen. Ungelenk und schwerfällig wegen ihrer Harnische und schweren Helme und bis zur Hüfte in Wasser und Schlamm, wateten sie durch den Graben vor dem Wall. Dann liefen sie auf den Kamm des Walls hinauf. Dort begannen die Schotten, an den dicken Holzpfählen der Palisaden zu zerren und zu ziehen, aber die saßen zu fest. Daraufhin wurden Petarden herangeschleppt – ein kurzer, dicker Kanonentyp, der für die Sprengung von Festungstoren konstruiert war –, und mit ihnen wurden die Pfähle paarweise gefällt, und die Soldaten drängten sich durch die Öffnungen. Entsetzt von dem krachenden und zischenden Feuer waren ihre Gegner auf der anderen Seite des Walls bereits hinabgelaufen in den Schutz seiner Rückseite. Die Schotten stürmten weiter, trieben die von Schrecken gepackten Scharen feindlicher Soldaten vor sich her und erreichten mit diesen zusammen die beiden Torhälften, die offen standen. Dort verharrten sie eine kurze Weile, aufgehalten von dem Kreuzfeuer von ein paar Kanonen und einem Orgelgeschütz, das große Lücken in ihre Reihen riss und mehrere Offiziere niederstreckte. Die höheren Befehlshabenden, begierig, die unerwartete Öffnung zu nutzen, trieben ihre Männer jedoch weiter, und Schulter an Schulter, mit gesenkten Piken, drängten sie sich durch das dunkle Torgewölbe, unter dem Fallgitter hindurch, das herunterzulassen keiner der Kaiserlichen in dem Durcheinander geistesgegenwärtig genug gewesen war, hinein in die Stadt. Dort richteten die Schotten unter den kaiserlichen Soldaten, die wie in Panik geratene Schweineherden in den engen Straßen umherliefen, ein wahres Blutbad an. (Unmittelbar vor dem Angriff hatte Gustav Adolf auch die zum Sturm bereiten Soldaten an das Massaker erinnert, das Tillys Truppen einen guten Monat zuvor in Neubrandenburg an schottischen Soldaten verübt hatten. Außerdem hatte man den Soldaten gerade ihren Sold ausbezahlt, um ihre Kampfeslust zu beflügeln. Die Soldaten machten denn auch keine Gefangenen.) So wurde aus dem ursprünglich geplanten kleinen Erkundungsvorstoß ein erfolgreicher Generalsturm.
    Frankfurt an der Oder war wie gesagt eine protestantische Stadt, doch das half jetzt nicht. Gustav Adolf hatte dem Heer eine dreistündige freie Plünderung versprochen, «doch mit Mäßigung, und ohne einen Bürger der Stadt zu töten», aber nachdem das Rauben erst einmal freigegeben war, fiel es schwer, ihm wieder Einhalt zu gebieten. Unter Kriegern war es ein ungeschriebenes und unumstößliches Gesetz, dass die Sieger, wenn eine Stadt im Sturm genommen wurde, das Recht auf freie Plünderung haben sollten. Jede Ordnung brach zusammen. In bestimmten Regimentern blieb nicht ein Mann bei den Befehlshabern zurück, und im Gedränge gingen

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