Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
entstandenen Lücken rasch auffüllten. (Es fällt schwer, sich etwas vorzustellen, das mehr Mut und Selbstüberwindung verlangt als dies: aufrecht und ungeschützt dazustehen, während schwere Geschosse um einen herumpfeifen, und die einzige Chance, die man hat, einem dieser langsam fliegenden Ungeheuer auszuweichen, darin besteht, sich in genau der richtigen Sekunde zu ducken oder wegzudrehen, was noch schwerer war, wenn man auf einem Pferd saß.)
Anfänglich sah es so aus, als sollte das schwedische Heer eingekreist werden. Tilly setzte seinen rechten Reiterflügel und einen großen Teil seines erprobten Fußvolks gegen die leuchtende Erscheinung der Sachsen in Bewegung, die den linken Teil des alliierten Heers ausmachte. Hier ging es wie schon so viele Male zuvor: Die spanische Schule bewies ihren Wert. Vor die dichten Kolonnen federbuschgeschmückter Kürassiere und langsam heranrückender Pikenmassen gestellt, nahmen die gesamte sächsische Infanterie und große Teile ihrer Reiterei ganz einfach die Beine in die Hand und verschwanden in einer Wolke aus farbenfrohen Krausen, ziselierten Rüstungen und Staub. Zwei Fünftel der protestantischen Streitmacht waren damit aus dem Spiel. Der Initiator der Schlacht, Johann Georg, unternahm einen Versuch, mit gezücktem Degen seine flüchtenden Untertanen ein wenig zur Raison zu bringen, was sich jedoch als unmöglich erwies. (Die Einzigen, die freiwillig einen kurzen Halt einlegten, waren Männer, die die Gelegenheit wahrnahmen, den eigenen und den schwedischen Tross zu plündern.) Daraufhin entschloss er sich sogleich, dem Beispiel der Retirierenden zu folgen, und er hielt sein Pferd nicht an, bis er sich in der einigermaßen sicheren Entfernung von 20 Kilometern vom Schlachtfeld befand. Unterdessen ging kaiserliche Kavallerie zum Angriff auf den rechten schwedischen Flügel über. Die Angreifer hatten nur geringen Respekt vor der schlecht berittenen und armselig gepanzerten schwedischen Reiterei, wurden aber zu ihrer großen Verwunderung zurückgeworfen, vor allem durch das Feuer der Gruppen von Musketieren, die zwischen die Kavallerieabteilungen platziert waren. Immer wieder ritten die dichten Kolonnen gepanzerter Reiter an, und immer wieder prallten sie im Kugelhagel des schwedischen Fußvolks zurück. Hier praktizierten die Letztgenannten zum ersten Mal eine ganz neue Technik: die Zugsalve. Statt wie bis dahin üblich Glied auf Glied in einer streng abrollenden Ordnung die Waffen abfeuern zu lassen, verdoppelte man die Glieder, sodass die Aufstellung nur drei Glieder tief war. Die ganze Truppe feuerte dann gleichzeitig in einer einzigen brüllenden Salve die Waffen ab. Diese bis dahin ungesehene Feuerkraft hatte einen fürchterlichen Effekt auf die dicht gepackten Massen der Kaiserlichen, insbesondere an den Stellen, wo die Schweden sie auch mit heulenden Schwärmen von Schrot und Kartätschenkugeln aus den schnell schießenden Regimentskanonen überschütten konnten. Bei dem Versuch, um ihre Gegner herumzukommen, stießen die sich lichtenden Reihen von Kürassieren immer weiter nach links hinaus in den Rauch vor, doch vor ihren Augen wuchs die Mauer von Männern und Pferden und versperrte ihnen den Weg. Die schwedische Schlachtaufstellung in zwei gestaffelten Treffen und die hohe Beweglichkeit der Verbände stellten sicher, dass hinter den ersten Linien Reserven bereitstanden, die schnell herangeführt werden konnten, um die drohende Überflügelung zu blockieren. Dies hatte die Schweden auch gerettet, als die Sachsen davonliefen und ihre Mitte frei in der Luft hängen ließen. In verblüffend kurzer Zeit konnte mit Hilfe von Truppen des hinteren Treffens ein neuer linker Flügel aufgestellt werden, ein linker Flügel, der in der gleichen Weise wie die Kameraden draußen auf der Rechten die Gegner abzuwehren vermochte. Auf beiden Seiten wich so schließlich die stolze kaiserliche Reiterei und strömte in Auflösung geraten zurück. Da gingen die Schweden zum Gegenangriff auf das jetzt allein gelassene feindliche Fußvolk über.
Man stellt sich die Schlacht am besten nicht als einen einzigen, einheitlichen und kontinuierlichen Kampf vor, sondern als eine Reihe lose zusammenhängender kleiner Gefechte, in denen Verband auf Verband traf. Allen, auch den Kommandierenden, fehlte der Überblick, der nötig gewesen wäre, damit das Treffen zu einem einheitlichen und kontrollierbaren Geschehen hätte werden können. Zwar hatten die Generale zu dieser Zeit ein neues
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