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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Rothenburg, Windsheim. Sie wischten sozusagen im Vorübergehen eine Ansammlung bayerischer Verbände zur Seite, auf die sie während des Marsches stießen, und zogen weiter, von der Nachricht vorwärtsgetrieben, dass Leipzig am 22 . Oktober mit den Kaiserlichen einen Akkord eingegangen war. Man kann sie vor sich sehen: bärtige Männer in unendlich langen Ketten, die auf gewundenen und tief ausgetretenen Wegen vorwärtsstapfen, durch feuchte und frostgelbe Herbstwälder und an schwarzen, gepflügten Äckern entlang, die Hutkrempen hängen schlaff herunter in dem kalten, strömenden Regen; gebeugt und schwankend unter ihren Waffen gehen sie mit kurzen, stummen Schritten, machen zuweilen einen Schritt zur Seite, um einem dampfenden Haufen Pferdeäpfel auszuweichen, und ihre leeren Blicke sind nach unten auf die nasse Laubschicht des Weges gerichtet.
    In siebzehn Tagen marschierten sie 630 Kilometer, also fast 40 Kilometer pro Tag. Dies war eine enorme Leistung, denn normalerweise bewegte sich eine Armee nicht weiter als fünf oder sechs Kilometer am Tag. Aber es war auch eine Leistung, die ihren Tribut forderte, besonders weil das Herbstwetter sich von seiner schlechtesten Seite gezeigt hatte und die Wege miserabel gewesen waren: Die Zahl der Nachzügler war in die Höhe geschnellt, je weiter die Kolonnen sich auf den glitschigen Wegen auseinandergezogen hatten. Außerdem waren rund 4000 Pferde verendet. Die alte Wahrheit, dass ein richtig harter Marsch mindestens ebenso große Verluste mit sich bringen konnte wie eine große Schlacht, hatte sich wieder einmal bestätigt. Als die Regimenter schließlich Sachsen erreichten, war die Gesamtstreitmacht zu gering – noch fehlten mehrere große Abteilungen –, sodass Gustav Adolf das Heer bei Naumburg, gut 50 Kilometer südwestlich von Leipzig, warten ließ. In etwas mehr als einem Jahr hatten die schwedischen Soldaten ein ungleichseitiges Dreieck durch das deutsche Reich beschrieben. Von Breitenfeld waren sie zuerst nach Mainz im Südwesten gezogen, danach waren sie nach Südosten bis München marschiert. Nun waren sie wieder in Sachsen.
    Nachdem Wallenstein fast vierzehn Tage auf einen schwedischen Angriff gewartet hatte, kam er zu der Ansicht, dass ein solcher nicht mehr bevorstehe. Es war ja trotz allem bereits Anfang November und höchste Zeit, die Kriegführung für diese Saison abzubrechen. Deshalb gab er Order, dass die Armee beginnen solle, sich aufzuteilen und Winterquartiere aufzusuchen. Dies war wahrscheinlich der größte Irrtum, der ihm in seiner gesamten militärischen Karriere unterlief.
    Am 5 . November signalisierten drei Kanonenschüsse von einem kaiserlichen Posten im Süden, dass die schwedische Armee im Anmarsch sei. Der überrumpelte Wallenstein wollte dies zunächst nicht glauben. Doch er musste bald einsehen, dass Gustav Adolfs Truppen keineswegs ins Winterquartier gegangen waren, sondern im Begriff standen, sich über das jetzt zersplitterte kaiserliche Heer zu werfen. Das Korps des kaiserlichen Feldmarschalls Pappenheim stand bei Halle, und Wallenstein sandte ihm eine Eilbotschaft, «alles stehen und liegen» zu lassen und sich Hals über Kopf «mit allen Leuten und allen Kanonen» zu der Stadt gut 30 Kilometer südwestlich von Leipzig zu begeben, wo der Hauptteil der kaiserlichen Armee jetzt stand. Der Ort hieß Lützen.
    Lützen 1632
    Zum Glück für die Kaiserlichen kam es an diesem Tag nicht zum Kampf. Die schwedische Armee, nun ordentlich verstärkt, verspätete sich auf ihrem Anmarsch so sehr, dass die Dunkelheit hereinbrach, bevor sie Lützen erreichte. Die erschöpften Soldaten mussten deshalb die dunkle und kalte Novembernacht, unter freiem Himmel schlafend, auf den Feldern unmittelbar südöstlich der Stadt verbringen. Währenddessen sammelten sich fünf Kilometer entfernt die kaiserlichen Regimenter und nahmen im Schein von Fackeln Aufstellung.
    Schon im ersten Morgengrauen kamen die schwedischen Kolonnen in gewundenen Reihen und schwenkten auf die flachen Felder vor der Stadt ein. Die schwedischen Generale waren ungeduldig und wollten so schnell wie möglich angreifen, bevor die Kaiserlichen weitere Verstärkungen heranführten. Von Wallensteins Seite war auch das Geräusch von Marschtrommeln zu hören, was zeigte, dass mehr Soldaten auf dem Weg waren. Aber der Herbstnebel erwies sich als guter Katholik, der sich weigerte, der Morgendämmerung zu weichen, und stattdessen gegen alle Klugheit immer dichter wurde. Reiter und Soldaten im

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