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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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habsburgischen Erblande, um in einer großen, apokalyptischen Schlussoffensive den Kaiser in die Knie zu zwingen. Bis zu dieser Epoche waren die Kriege klein in ihrem Ausmaß und begrenzt in ihrer Systematik gewesen. Die Armeen waren recht unansehnlich und außerdem wenig zahlreich gewesen und hatten etwas betrieben, das am ehesten großangelegten Raubzügen ähnelte: Jede Seite unterhielt ein einziges Heer, das, wenn es hochkam, einige zehntausend Mann zählte, die sich an einer einzigen Front schlugen, die sich mit den Truppen verlagerte. In diesem Zeitalter der kleinen Armeen hatte es weder die Notwendigkeit noch die Möglichkeit gegeben, Streitkräfte zu koordinieren, die in großem Abstand voneinander operierten. Dies hatte sich bereits im 16 . Jahrhundert allmählich geändert, als es üblich geworden war, dass Kriege an zwei verschiedenen Fronten geführt wurden. Gustav Adolf stand im Begriff, diesen strategischen Horizont noch mehr und auf geradezu revolutionierende Weise auszuweiten. Er hatte die Vision von fünf oder sechs Armeen, die in enger Koordination entlang einer gewaltigen Kette von Fronten von der Oder bis zu den Alpen vorrücken sollten.
    Die schwedischen und die deutschen protestantischen Streitkräfte bereiteten sich während des Frühjahrs auf die große Aufgabe vor. Dies bedeutete in erster Linie, dass ihre Anzahl drastisch erhöht wurde. Werbungspatente wurden überall und an jeden ausgeteilt. Die während der voraufgegangenen Feldzüge entstandenen Lücken sollten aufgefüllt und außerdem mehrere neue Verbände aufgestellt werden. Alles in allem sollte die Truppenstärke auf 150 000 Mann hochgetrieben werden, eine für diese Zeit schier unvorstellbare Heeresmacht. Der Krieg war mit einem Mal groß geworden, sehr groß. Die umfangreichen Werbungen bedeuteten auch, dass das Heer zunehmend lediglich dem Namen nach schwedisch war. Bald war nur noch jeder zwölfte Mann Schwede in des Wortes eigentlichem Sinn – aus dem schwedischen Reich oder einer seiner Besitzungen stammend –, die meisten anderen waren Deutsche, Franzosen, Holländer, Polen und Böhmen.
    Im März machte sich dieses polyglotte Gemisch auf den Marsch nach Südosten, überquerte die Donau und brach in das katholische Bayern ein, das reiche Herzland der deutschen Gegenreformation. Sicher verschanzt in einem Wald am anderen Ufer des Lech, versuchte Tilly, mit seinem notdürftig zusammengestoppelten Heer den Bayern zu helfen, den schwedischen Vormarsch aufzuhalten. Aber Gustav Adolfs Truppen, mit 300 ausgesuchten Finnen an der Spitze, kämpften sich hinüber. Verborgen in schützenden Wolken von brennenden Haufen nassen Strohs, das eigens zu diesem Zweck angezündet wurde, und unterstützt von einem erbarmungslosen Sturmfeuer aus nicht weniger als 72 Kanonen – der artilleristisch talentierte König soll an die sechzig Schüsse selbst abgefeuert haben –, das die bayerischen Soldaten mit schwirrenden Kugeln und Wolken wirbelnder Splitter zerschossener Bäume überschüttete. Der betagte Tilly wurde, von einem Falkonettgeschoss verwundet, in des bayerischen Kurfürsten Maximilians eigenem Wagen vom Schlachtfeld gebracht, doch der «Mönch in Rüstung» starb einige Zeit später unter den Händen eines ungeschickten Feldschers. Sein Heer wurde zerstreut, und Bayern lag offen da – und Wien, hieß es, lag nur drei Wochen entfernt.
    Panik breitete sich in dem reichen Herzogtum aus. Auch Städte, die 20 und mehr Kilometer von der vorrückenden schwedischen Armee entfernt lagen, beeilten sich, Verhandlungen anzubieten. Der Zweck der Invasion war einfach: Es galt, Bayern der protestantischen Machtsphäre einzuverleiben oder dafür zu sorgen, dass das Land, mit Gustav Adolfs eigenen Worten, «zumindest ruiniert» würde. Die Städte, die dazu in der Lage waren, kauften sich von Plünderung frei – so musste zum Beispiel Landshut, Bayerns zweitgrößte Stadt, eine Brandschatzkontribution von 10 000 Reichstalern zahlen –, während das schwedische Heer Ende April eine zehn Kilometer breite Wunde von Feuer und Plünderung durch die fruchtbare Landschaft brannte. Verzweifelte Bauern taten wie üblich, was sie konnten, um mit Heugabeln und Keulen die Verwüstungen zu verhindern, aber wie üblich wurden sie überrannt. Erfolg hatten sie nur gegen isolierte kleine Abteilungen von Soldaten, die in Hinterhalte gerieten. So wurde eine Gruppe von 50 Schweden von einem großen Bauernhaufen bei Schrobenhausen nordwestlich von München

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