Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Schlachtfeld, klugerweise auf der bedrohten Flanke. Dort kehrte sich die Unterlegenheit der Kaiserlichen auf einmal in eine große numerische Überlegenheit um. Sie konnten jetzt unter dem grauen Himmel zum Gegenangriff übergehen. Der Kampf war grauenhaft. Immer wieder türmten sich Wogen von Piken und rasselnden Kürassieren gegen zerrissene schwedische Fußvolk-Rechtecke auf, über denen zerschossene Fahnen flatterten. Dem Anführer eines der kaiserlichen Reiterverbände, dem rundlichen Florentiner Ottavio Piccolomini, wurden nacheinander fünf Pferde, auf denen er ritt, getötet, er selbst wurde fünfmal verwundet, und sein Regiment wurde fast ausgelöscht. Und in der schwedischen Brigade wurden sieben von zehn Pikenieren und vier von zehn Musketieren entweder getötet oder verwundet. Die schwedischen Fußvolkbrigaden mussten schließlich zurückweichen und die eroberte Batterie zurücklassen. Sie schleppten in vielen Fällen ihre Verwundeten mit sich aus dem tobenden Chaos, aber die Gefallenen mussten sie liegenlassen, in dichten, geraden Reihen in der Herbstnässe an der Stelle, wo sie standgehalten hatten – bis in den Tod gefangen in den festen geometrischen Formen des Drills. Die reichsschwedische Reiterei in der ersten Linie hatte auch schwer gelitten und bestand nur noch aus ein paar versprengten Häuflein beiderseits der Landstraße. Erste Anzeichen von Panik machten sich bei einem Teil der schwedischen Truppen bemerkbar, als sie über die Straße zurückströmten. Der Hofprediger Jakob Fabricius sammelte daraufhin einige Offiziere um sich und stimmte zusammen mit ihnen einen Choral an. Diese Demonstration von Ruhe und Besonnenheit brachte die in Panik geratenen Soldaten zur Besinnung, und sie blieben zu Hunderten stehen. Frische Reiterei aus dem zweiten Treffen der schwedischen Schlachtordnung wurde zum Gegenangriff herangeführt. Um nicht überflügelt zu werden, mussten die Kaiserlichen sich zurückziehen.
Als die schwedischen Truppen durch das Dunkel des Pulverdampfs vorrückten, machten sie einen Fund: den Körper Gustav Adolfs, mit dem Gesicht nach unten im kalten Lehm liegend, ausgeplündert und nackt, bis auf drei blutgetränkte weiße Hemden und Leinenstrümpfe.
In einem Versuch, dem hart bedrängten schwedischen Fußvolk auf der anderen Seite der Straße zu Hilfe zu kommen, hatte der König zuvor den Befehl über die småländische Reiterei übernommen, als deren Anführer, Fredrik Stenbock, von einer Musketenkugel am Fuß verwundet worden war, und hatte sie zum Angriff geführt. Im Nebel kollidierte das Regiment kurz danach mit Götz’ Kürassieren, und bei diesem Zusammenstoß vermischten sich Freund und Feind.
Jetzt ging alles schnell. Ein Schuss. Eine Kugel schräg von hinten traf den König am linken Arm. Das Geschoss zerschmetterte das Ellenbogengelenk: der Röhrenknochen ragte aus dem Ärmel seines gelben, elchledernen Kollers (aufgrund alter Kriegsverletzungen konnte der König keinen Kürass tragen). Da der linke Arm unbrauchbar geworden war, musste Gustav Adolf seinen Degen fallen lassen und stattdessen Streiff mit der rechten Hand zügeln. Der König versuchte, einen Weg aus dem Kampfgetümmel heraus zu finden, und er und sein Gefolge wurden von den småländischen Reitern getrennt. Aber sie verirrten sich im Nebel und ritten direkt in eine Gruppe kaiserlicher Kürassiere. Nun entstand ein planloses Getümmel von erregten Gesichtern, fuchtelnden Armen und erhobenen Waffen. Noch ein Schuss. Ein kaiserlicher Offizier, Moritz von Falkenberg, feuerte aus wenigen Metern Entfernung seine Pistole auf Gustav Adolfs Rücken ab. Die Kugel schlug unter dem rechten Schulterblatt ein, drang in die Lunge und verursachte schwere Blutungen. Sekunden später fiel Falkenberg selbst vom Pferd, von dem Degen eines der Männer im Gefolge des Königs getroffen. Einer von diesen, Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg, versuchte, den schwankenden Gustav Adolf in seinem Sattel festzuhalten. Noch ein Schuss. Eine Kugel traf Streiff an der Mähne. Das Pferd bäumte sich auf. Noch ein Schuss. Eine Pistole wurde gegen Sachsen-Lauenburgs Kopf gedrückt. Es gelang ihm, die Waffe mit der Hand wegzuschlagen, doch dabei musste er den König loslassen. Das Mündungsfeuer verbrannte Sachsen-Lauenburg im Gesicht. Er floh. Der König glitt aus dem Sattel des wiehernden Pferds, blieb mit einem Sporn im linken Steigbügel hängen und wurde ein Stück von dem durchgehenden Pferd mitgeschleift, bevor er schließlich auf
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